Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

248 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

nach ungefähr dreiwöchiger Brutzeit, werden von beiden Eltern großgefüttert, warm geliebt, tapfer verteidigt, jedenfalls auh in ähnlicher Weiſe wie die des Baumfalken unterrichtet und verlaſſen dann mit den Eltern oft ſhon Ende Auguſt das Brutgebiet, um der Winterherberge zuzuwandern.

Obgleich der Merlin ſih hauptſächli<h von kleinen Vögeln ernährt, fällt der Schade, den er verurſacht, kaum ins Gewicht. Seine Heimat iſt ſo reih an dem von ihm bevorzugten Wilde, daß man eine irgendwie erſichtliche Abnahme von dieſem niht bemerken kann. Auch der Schade, den er unter den Moorhühnern ausübt, wird ſo gewichtig, wie neidvolle Fagdaufſeher ihn darſtellen, niht ſein. Nuten bringt uns der niedliche Falke freilih ebenſowenig; denn die Zeiten ſind vorüber, in welchen man auch ihn zur Beize abrichtete. Sein unübertvroffener Mut und ſeine unvergleichlihe Gewandtheit befähigten ihn in hohem Grade zur Jagd auf alles kleinere Wild. Er war der Lieblingsfalke jagdluſtiger Frauen, ein beſonderer Liebling auch der Kaiſerin Katharina IL, zu deren Gebrauche alljährlich eine ziemlihe Anzahl eingefangen und abgetragen wurde, um nach abgehaltenen Jagden im Spätherbſte die Freiheit wiederzuerlangen.

Jh verſtehe, weshalb dieſer Vogel ſich die Liebe jedes Pflegers erwarb. Auch bei uns zu Lande wird zuweilen einer gefangen, auffallenderweiſe am häufigſten in Dohnen, aus welchen er vielleiht gefangene Droſſeln wegnehmen will, und ſo gelangt dann und wann auh wohl einer der reizenden Geſellen in unſere Gebauer. Geraume Zeit habe ih ſelbſt einen gepflegt. Man darf wohl ſagen, daß er eine höchſt anziehende Erſcheinung im Käfige iſt. Als eter Edelfalke trägt er ſich ſtets hoh aufgerichtet und hält ſi<h immer nett und ſauber. Dank ſeinen ebenſo zierlichen wie gewandten Bewegungen weiß er ſi< au< im kleineren Naume fliegend ſo zu benehmen, daß er ſi ſelten die Schwingen abnußzt. Mit dem Wärter befreundet er ſi<h bald innig, und wenn man ſich mehr mit ihm abgibt, wird er ſo zahm wie irgend ein Mitglied ſeiner Familie Ein Bekannter von mir beſaß einen dieſer Falken, der ſih behandeln ließ wie ein Papagei, alle Furht vor dem Pfleger abgelegt haëte und ruhig auf ſeinem Sto>e ſißend den ihm vorgehaltenen Sperling oder die ihm gereichte Maus aus der Hand nahm.

Der Turmfalke und ſeine nächſten Verwandten ähneln in Geſtalt, im Baue des Schnabels, der Flügel und des Shwanzes noch ihren edleren Verwandten, haben aber längeres und lod>ereres Gefieder, kürzere und minder hartſ<hwingige Flügel, längeren Schwanz, ſtärkere und kurzzehigere Füße und je nah dem Geſchlechte verſchieden gefärbtes Kleid.

Lebensweiſe und Betragen dieſer Falken ähneln ſi<h ebenſoſehr wie ihre Geſtalt und Färbung. Man ſieht es ihnen an, daß ſie niht ſo befähigte Mitglieder ihrer Familie ſind wie die bereits geſchilderten Edelfalken. Fhr Flug iſt zwar noh leiht und ziemlich ſhnell, ſteht jedo<h dem der leßtgenannten bei weitem nah und zeihnet ſi< namentlich dur das Rütteln ſehr aus. Gewöhnlich ſtreichen ſie in mäßiger Höhe über den Boden dahin, halten, wenn ſie eine Beute erſpähen, plöglih an, bewegen die Flügel längere Zeit zitternd auf und ab, erhalten ſi< dadur<h geraume Zeit faſt genau auf derſelben Stelle und ſtürzen ſi< dann mit ziemlicher Eile hinab, um die erſpähte Beute aufzunehmen. Doch ſteigen ſie zu ihrem Vergnügen, an ſchönen Sommerabenden namentli<h, zuweilen ho< empor und führen dabei die zierlihſten Schwenkungen aus. Jm Sigten tragen ſie ſih läſſiger als die edleren Falken und erſcheinen deshalb größer, als ſie ſind; doch halten auh ſie ſh ausnahmsweiſe ſ{<lank. Auf dem Boden ſind ſie ziemlih geſhi>t; ihre längeren Läufe erlauben ihnen ſogar ziemlih leihten Gang. An Sinnesſchärfe ſtehen ſie den übrigen Edelfalken durhaus niht nach; in ihrem Weſen aber unterſcheiden ſie ſi< von ihnen. Sie ſind munterer, fröhlicher als dieſe und dabei ke> und ne>luſtig. Größeren