Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

276 Zehnte Dronung: Stoßvögel; erſte Familie: Fälkenvögel.

Die Federn ſind bei allen indianiſchen Völkerſchaften von Nordamerika Zeichen ihrer Heldenthaten, und bei den meiſten ſte>t man eine ſolche Feder für die Erlegung eines Feindes auf. . Mit Zinnober rotgefärbte Adlerfedern, an deren Spiße die Shwanzklapper einer Klapperſchlange befeſtigt wird, haben eine Bedeutung, die nur in indianiſchen Augen ehrenvoll iſt : ſie bezeihnen nämlich die höchſt ausgezeihnete und verdienſtvolle That eines Pferdediebſtahles. Die Jndianer verzieren ferner ihre großen Federhauben damit, indem die Federn aufre<t in einer langen Reihe auf einem roten Tuchſtreifen befeſtigt werden, an dem oben eine Federmüße angebracht iſt. Hat man dieſe Müßte aufgeſeßt, ſo hängt der rote Tuchſtreifen mit den kammartig aufre<ht ſtehenden Adlerfedern bis zur Erde über den Nücken hinab. Die Mandan- Fndianer nennen dieſen bei den größten Feſtlichkeiten gebräuchlichen Puß „Mahehſizakub-haſchka‘, und bloß ausgezeichnete Krieger dürfen ihn tragen; auch iſt er ſehr koſtbar, und nur gegen ein ſ{hönes Pferd würde der Beſizer einen ſolchen vertauſchen. Jh muß hier nur bemerken, daß man in den meiſt idealiſierten Bildern des Malers Catlin bei der Biſonjagd der Fndianer jene große Federhaube abgebildet ſieht. Dies iſt gänzlih unrichtig. Der FJndianer geht ohne allen Puß zur Jagd wie zum Kriege; nux ſeinen Talisman wird ex nie vergeſſen. - Die große Federhaube wird au<h wohl von einem berühmten Anführer in einer großen Schlacht oder einem vorherzuſehenden Gefechte getragen, doh nur in ſeltenen Fällen und nie auf der Jagd. Auch an ihren Waffen befeſtigen die Jndianer öfters Adlerfedern, oder ſie tragen ſie in den Haaren - und der Flügel dient ihnen als Fächer.“

Zwei andere große Adler, von welchen der eine wiederholt in Deutſchland erlegt worden iſt, hier ſogar gehorſtet haben ſoll, gehören dem Südoſten, Süden und Südweſten Europas an.

Der bekanntere von beiden iſt der Kaiſer- oder Königsadler (Aquila melanaëtus, mogilnik, imperialis, heliaca und riparia, Falco mogilnik, melanaëtos und imperialis). Er iſt bedeutend kleiner als der Steinadler: ſeine Länge beträgt nur 80 bis 86 cm, die Breite 1, 9—2,2 m, die Fittihlänge 60—63, die Schwanzlänge 27—29 em; das Weibchen kommt alſo an Größe no< niht ganz dem Männchen des Steinadlers gleich. Der Leib iſt gedrungen, der Shwanz verhältni8mäßig kurz, der Flügel aber ſo lang, daß er zuſammengelegt über die Shwanzſpiße hinausreiht. Ein ſehr tiefes und gleihmäßiges Dunkelbraun iſt die Grundfärbung der alten Vögel. Kopf und Nacen ſind roſtbraun oder hell fahlgelb, ein großer Fle>en auf den Shultern oder hinterſten Flügelfedern iſt rein weiß, der Schwanz über der niht ſehr breiten Endbinde auf aſ<hgrauem Grunde {mal und regelmäßig ſ{hwarz gebändert. Jm Fugendkleide unterſcheidet ſih der Kaiſeradler dur< ſein fahl bräunlichgelbes, mit dunkelbraunen, durch die Federkanten hervorgebrachten Längsfle>Œen gezeihnetes Gefieder ſo auffallend von dem jungen Steinadler, daß er nur mit ſeinem nächſten Verwandten verwechſelt werden kann.

Dieſer, der Prinzenadler, wie wir ihn nennen dürfen, da er feinen Namen zu Ehren des Prinzen Adalbert von Bayern trägt (Aquila adalberti und Ilencolena), erſt im Jahre 1860 von meinem Bruder Reinhold in Spanien entde>t, unterſcheidet ſich vom Kaiſeradler, mit welchem er am meiſten übereinſtimmt, im Alter durch die weite Ausdehnung der weißen Färbung in der Shultergegend, die ſich von hier aus als ziemlih breites Band längs des Randes des Ober- und Unterarmes, einſchließli<h des Flügelbuges, erjtre>t, jowie das im ganzen dunklere Geſamtgefieder, in der Jugend dagegen dur<h das minder deutli geſtreifte Gefieder der Unterteile.