Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Steinadler: Gefangenleben. Verwendung zur Beizjagd. Wert. 75

dieſer aber nimmt den Augenbli> wahr und greift jenen im Geſichte an, ſeine Fänge womöglih in die Augen ſchlagend. Reineke verſucht auch jebt noh, ſih ſeiner Haut zu wehren, und vereitelt, indem er ſih mit dem Adler plößlih zu Boden wirft und auf dem Nü>ten wälzt, auh wohl noh einen zweiten oder dritten Angriff, die Neiter aber ſind ihm ſtets auf den Ferſen und lähmen, wenn niht ſeine Kraft, ſo doh ſeinen Mut. Auch erkennt der Adler ſehr bald, mit welchem gefährlichen Gegner er es zu thun hat, löſt in demſelben Augenbli>e, in welhem der Fuchs ſih auf den Rü>en drehen will, ſeine Fänge, erhebt ſi in die Luft und ſhwebt als drohende Gewitterwolke wiederum über dem armen Schelme, bereit, den fur<tbaren Fang nochmals um ſein Haupt zu ſ{<hlagen. So wiederholt angegriffen und fortwährend bedroht, ermattet der Fuchs ſchneller, als man annehmen möchte, und läßt ſi< endlih ziemlih widerſtandslos feſthalten, bis die nacheilenden, durch jauchzenden Zuruf den Adler anfeuernden Jäger herbeikommen und jenen durch einen geſhi>ten Schlag mit der Keule von ſeinen Leiden befreien. Wenn der Adler auh die Fuchsjagd genügend verſteht, wirft ihn der Falkner auf den Wolf, der ebenſo wie ſein Verwandter aufgeſcheuht wurde. Nicht jeder Adler wagt es, dieſes unverhältnismäßig ſtärkere Raubtier anzugreifen; ein in der Fuchsjagd wohlerfahrener Beizvogel aber thut dies unabänderlih, obwohl ſtets mit der größten Vorſicht, fo genau auh die Art und Weiſe ſeines Angriffes der bisher geübten entſpricht. Den Wolf ernſtlih zu gefährden, wie es hinſichtlih des Fuchſes ſehr oft der Fall iſt, würde für den Adler unmöglich ſein; die nahjagenden Reiter aber beeifern ſich jezt mehr als je, rehtzeitig zu helfen, und daher iſt au der von einem Adler angegriffene Wolf regelmäßig verloren. Ein Adler, der Jſegrim, den verhaßten, ſ{<lägt und dann ohne weiteres auh auf Antilopen und anderes Wild verwendet werden kann, iſt den Kirgiſen nicht feil; ſhon ein Beizvogel, der mäßigen Anſprüchen genügt, hat in ſeinen Augen den Wert von 3—4 Stuten. Mit zwei Adlern zugleih kann man nict jagen, weil die Eiferſucht beide ſo erregt, daß ſie ſich gegeneinander kehren und auf Leben und Tod bekämpfen.

Viel allgemeiner als der lebende findet der tote Adler Verwendung. Schon unter unſeren Tirolern und den mit ihnen demſelben Volfsſtamme angehörigen Oberbayern gelten einzelne Teile des Adlers als koſtbarer Shmu>. Obenan ſtehen die „Adlerflaumen“ oder Unterſhwanzde>federn, die gern mit 4—10 Mark bezahlt werden; nächſtdem werden die Klauen geſchäßt. Man liebt es, an der meiſt aus Silber beſtehenden Uhrkette die Haken des Edelhirſhes, die Fangzähne des Fuchſes, die Klauen des Habichts und Uhus, als höchſte Zierde aber die Klauen des Adlers zu tragen. Beſonders begehrt iſt die Hinterklaue, minder eine oder die andere der beiden größeren und ſtärkeren Vorderzehen, am wenigſten die ſhwache der kleinſten Zehe. Für die erſtere zahlt der Gebirgsbewohner gern bis 12 Mark unſeres Geldes, und demgemäß ſteigert ſih im Gebirge der Preis eines erlegten Steinadlers meiſt bis auf 60, ja ſelbſt bis auf 80 Mark. Unter den Chineſen dienen Kopf und Fänge als geſchäßte Arzneimittel die Shwingen zur Herſtellung von Fächern und zur Befiederung der Pfeile. Auch bei den Burjäten ſtehen Shwingen und Steuerfedern hoch im Preiſe, und von den Mongolen werden ſie als Opfergaben den Göttern dargebracht. Hiermit ſcheint ein Vorurteil dieſer Leute zuſammenzuhängen. Man tötet, wie Radde mitteilt den Adler nicht gern; geſchicht es aber, daß einer verleßt oder gefangen wird, ſo muß ex ſo raſh wie möglih totgeſhlagen werden, widrigenfalls man ſih den Zorn der böſen Geiſter zuziehen würde.

Es iſt beahten3wert, daß unter den Fndianern Amerikas ähnliche Anſchauungen herrſchen. „Sie nehmen“, ſo erzählt der Prinz von Wied, „den großen Adler gern aus dem Horſte, um ihn aufzuziehen, und ſammeln alsdann ſeine Schwanzfedern, die bei ihnen einen hohen Wert haben: eine einzelne Feder wird für den Wert eines Dollars verkauft.

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