Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

294 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

Der Keilſchwanzadler iſt namentlih beim Aaſe leicht zu erlegen und noh leichter in Fallen aller Art zu fangen, wird auh von den Eingeborenen oft jung aus dem Neſte gehoben, in den Küſtenſtädten aufgezogen und dann nah Europa geſendet. Fu unſeren Tiergärten iſt er eine niht ungewöhnliche Erſcheinung. Sein Preis iſt ſo gering, daß man wirklich nicht recht begreift, wie es mögli<h war, mit der Summe, die der Adler koſtet, das Futter zu beſchaffen, das er auf der Herreiſe gebrauchte. Der Vogel trägt die Gefangenſchaft in unſerem Lande ohne alle Beſchwerde. Von einem Paare berichtet Gurney, daß das Weibchen niht nur im Käfige Eier gelegt, ſondern ſie au< bebrütet habe.

Schlanker Leib, verhältnismäßig kurze Flügel, deren Spitzen das Ende des ſehr langen Schwanzes nicht erreichen, lange, bis zu den Zehen befiederte Füße, hohe Fußwurzeln und große, kräftige Fänge mit langen, flah gebogenen Klauen ſowie endlih der langgeſtre>te, aber doh ſtarke Schnabel kennzeihnen den Habichtsadler (Aquila fasciata, bonelli, intermedia und rubriventer, Nisaëtus fasciatus, grandis, niveus und strenuus, Falco bonelli und ducalis, Spitzaëtus grandis, Pseudaëtus, Eutolmaëtus und Tolmaëtus bonelli, Aquilastur bonelli). Er erreicht etwa die Größe des Schelladlers: ſeine Länge beträgt 70, die Breite 145, die Fittihlänge 45, die Shwanzlänge 26 cm. Das Weibchen iſt um 8 em länger und um reihli< 10 cm breiter. Jm ausgefärbten Kleide ſind Stirn und ein Streifen über dem Auge weiß, Scheitel und Na>en auf braunem Grunde dunkler geſtreift, Unterhals und Oberrüen weiß, mit ſ{<hwarzbraunen Fle>en an den Federkanten, die Mantelſedern einfarbig dunkelbraun, die des Unterrückens ſ{<warzbraun die Oberſhwanzde>en weißli<h und braun gemarmelt Kehle, Bruſt und Bauchmitte auf weißem Grunde durch ſ<hwarze Schaftfle>en, die Hoſen aber dur breite, duntle, za>ige Bandfle>en gezeichnet, die inneren Schenkel wie die Laufbefiederung roſtbräunlih und grau gewellt, mit {warzen Längsfle>en, die Schwingen ſ{hwarzbraun, leiht purpurn ſcheinend, die Handſchwingen innen an der Wurzel weiß, dunkelbraun gebändert und gemarmelt, die Armſchwingen innen unregelmäßig grau gefle>t und gewäſſert, die Steuerfedern, abgeſehen von den mittleren, faſt einfarbig braunen, auf der Oberſeite graubraun mit weißgeſäumter Endbinde und 7 ſ<hmalen, za>igen, dunkeln Querbinden, auf der Unterſeite weißgelblih überlaufen und braungrau getüpfelt. Fm Fugendkleide iſt der Scheitel licht rötlich, der Na>en fahlrot, der Mantel lihtbraun, jede Feder fahlgelb geſäumt, der Schwanz auf der Oberſeite aſhgraubraun und 9—10mal quer gebändert und weiß geſäumt, die ganze Unterſeite auf blaßgelbli<h roſtbraunem Grunde durch feine dunkle Schaftſtrihe gezeihnet, der Bauch ſhmugzig rötlihweiß und ungefle>t. Das Auge iſt erzgelb, der Schnabel hornblau, die Wachshaut ſ{<hmußtig-, der Fuß graugelb.

Der Habichtsadler, der ebenfalls ſhon in Deutſchland erlegt worden iſt, bewohnt ziemlih häufig Südfſrankreih, Spanien, Portugal, Süditalien, Griechenland und die Türtei, Nordweſtafrifa, ebenſo wahrſcheinlih Turkiſtan und ganz Jndien, vom Himalaja an bis zum äußerſten Süden. Fn Griechenland und Süditalien iſt er niht ſelten, in Spanien und Algerien der häufigſte Adler. Waldloſe Gebirge mit ſteilen Felſenwänden bilden hier ſeine Wohnſiße; in Fndien hauſt er vorzugsweiſe in hügeligen, mit Dſchangel bewachſenen Gegenden. Er wandert nicht, ſtreicht aber während der Brutzeit im Lande umher und vereinigt ſich dabei oft in Geſellſhaften von ziemli<h bedeutender Anzahl: mein Bruder Reinhold jah einmal ihrer 20 über dem föniglichen Luſtgarten bei Madrid dahinziehen. Am Horſt plate duldet auch dieſes Adlerpaar kein anderes oder überhaupt feine anderen Raudvöge!.

Der Habichtsadler iſt ein außerordentlih gewandter, mutiger, fühner, ja ein dreiſter, frecher Vogel, der geiſtig dem Habichte vollkommen ähnelt, ihn aber dur leiblie Begabungen vielfach übertrifft. Sein Flug ähnelt mehr dem eines Edelfalken als dem eines