Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Habichts8adler: Angriffe. Beutetiere. Fortpflanzung. Gefangenleben. 997

beobachtete mehrere Jahre nacheinander das einzige Pärchen, das an den Felſen Gibraltars brütet, und erfuhr, daß auch die Habichtsadler mit den Horſten zu wechſeln lieben. Fn den Jahren 1869 und 1871 benußten ſie einen Horſt, der ungefähr 100 m über dem Fuße der Felſen ſiand, in den Fahren 1870 und 1872 dagegen einen zweiten höher gelegenen. Jm Jahre 1873 war der Oberſt von Gibraltar abweſend; nach ſeiner Nückkehr, im Jahre 1874, fand ex, daß das Paar ſi einen ganz neuen Horſt gegründet hatte. Mit dem Baue des Horſtes geben ſich die Habichtsadler wenig Mühe, verſäumen aber nie, den oberen Teil wiederholt mit friſchen, grünen Olivenzweigen zu belegen. Fn welcher Weiſe ſie dieſe abbrechen, ſcheint Frby nicht klar geworden zu ſein. Einzelne, die er am Fuße der Felſen auflas, waren durhnagt, als ob eine Ratte ſie abgebiſſen hätte. Mit der Ausbeſſerung beſchäftigen ſih die Vögel in der Regel ſhon von Weihnachten an, obgleih das Weibchen erſt früheſtens Anfang Februar zu legen beginnt. Fm Fahre 1871 wurde das erſte der beiden Eier am 5. Februar gelegt, und die Fungen entſchlüpften am 16. März, alſo nah 40tägiger Bebrütung. Beide Gatten des Paares brüten abwechſelnd, ſiven auch oft gleichzeitig auf dem Horſte. Die Eier drehen ſie mit dem Schnabel um, und daher rühren eingetraßte Striche, die man an länger bebrüteten Eiern ſchen kann. Eier, die unſer Beobachter in den Jahren 1873 und 1874 den Horſten entnehmen ließ, waren wundervoll mit roten Strichen und Punkten gezeichnet und unter ſih ſo ähnli, daß man ſie ſofort als die desſelben Weibchens erkennen mußte. Nicht alle Horſte, die Frby unterſuchte, ſtanden in bedeutender Höhe oder auf unzugänglichen Stellen, mehrere konnten im Gegenteile ohne ſonderliche Anſtrengungen erſtiegen werden. Auch in Jndien brütet der Habichtsadler regelmäßig auf Felſen.

Es läßt ſih erwarten, daß die Habichtsadler ihre Jungen mit demſelben Mute verteidigen, den ſie ſonſt offenbaren; einen Menſchen aber, der die Brut bedroht, ſcheinen ſie doh niht anzugreifen. i

Während meines Aufenthaltes in Spanien erhielten wir zweimal lebende Habichtsadler. Der eine, ein alter Vogel, war auf einem mit Leimruten zum Sperlingsfange hergerichteten Baume ergriffen worden, nachdem er ſi ſein ganzes Gefieder mit dem Leime zuſammengekleiſtert hatte; ſein Fänger hatte ihn jedoch ſo mißhandelt, daß er nah wenigen Stunden, die er in unſerer Pflege verlebt hatte, ſeinen Geiſt aufgab. Der andere, ein junger Vogel, den der Fänger, wie er ſagte, ausgehoben hatte, war bereits vollſtändig befiedert und ſchien {hon alle Eigenſchaften alter Vögel zu beſißen. Wir brachten ihn in einen Käfig, der bisher einen Steinadler, einen {hmußigen Aasgeier, einen Bartgeier und eine Dohle beherbergt hatte. Unter dieſer eigentümlichen Genoſſenſchaft hatte bisher die größte Einigkeit geherrſcht, ſie wurde aber dur< den Habichtsadler augenbli>li<h geſtört. Dieſer gebärdete ſih wie raſend, tobte im Käfige umher, verſuchte mit allen Genoſſen anzubinden, warf ſih, wenn dieſe ihm auf den Leib rü>ten, auf den Rücken und hieb mit den Klauen nach jedem ſeiner Kameraden. Die ke>e, muntere Dohle wurde das erſte Dpfer des Wüterichs: eine Stunde nah ſeiner Ankunft hatte er ſie bereits im Magen. Gegen uns benahm er ſi< ebenſo ungeſtüm wie gegen ſeine Gefährten und griff uns, wenn er uns erreichen zu fönnen glaubte, ebenfalls ohne Beſinnen an. Auch ſein Betragen im Käfige erinnerte an das des Habichts.

Ferdon meint, daß dieſer Adler wohl leicht zur Jagd von Antilopen, Haſen, Trappen und ähnlichem großen Wilde abgerichtet werden könne, und hat wahrſcheinlih re<ht; denn derſelbe Gefangene, von welchem ih oben ſprach, zeigte ſih ſpäter im Frankfurter Tiexgarten als lieben8würdiges und zutraulihes Geſchöpf.

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