Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

300 Hehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

ſeinen Horſt auf dem Boden ſelbſt anzulegen. Abweichend von dem Wanderfalken wählt er hierzu nicht ſolche Stellen, welche an Abhänge grenzen, ſondern regelmäßig die Spibe eines Hügels, gleichviel, ob dieſer ſi<h 30—40 oder nur 2—3 m über die dur<ſ<nittlihe Höhe der Ebene erhebt. Abgeſehen von dem für einen Buſſard ſicherlih auffallenden Standorte, zeihnet ſih der Horſt, der in waldigen Gegenden von dem unſeres Mauſers kaum abweicht, in der Tundra noh dadurch aus, daß aus\chließli< dünne, gebrehlihe Zweige zu ſeinem Aufbaue verwendet werden: koſtet es doh unſerem Nauhfußbuſſarde Mühe genug, ſelbſt dieſe herbeizuſchaffen. Weite Slre>en durchfliegend, findet ex nur hier und da einen dur irgend einen Zufall abgebrohenen Zwergbirkenzweig, im günſtigſten Falle einen ausgeriſſenen Zwergbirkenſtrauh oder einen dürren Lärchenaſt, den er verwenden kann: ſehr erflärlih daher, daß er ſih mit den unbedeutendſten Zweigen begnügt und ſelbſt ſolche zum Unterbaue verwendet, welche niht di>er ſind als die ineinander verfilzten der Zwergbirkenkronen, auf welchen der Horſt ſteht. Die Laſt des leßteren iſt no< immer ſo bedeutend, daß das ſ<hwankende, federnde, ſchon unter dem Gewichte eines Bogels ſich biegende Geäſt der Zwergbirken zu Boden gedrü>t, gleichſam mit dem Horſte ſelbſt verſhmolzen und ſomit ſtreng genommen zu deſſen unterem Teile umgewandelt wird. Findet der Rauhfußbuſſard Nenntierhaare oder ſonſtige weiche Stoffe zur Ausfütterung, ſo ſhleppt er auch dieſe herbei, wenn nicht, begnügt er ſich, die ſehr flache Neſtmulde regelmäßiger als den unteren Teil des Horſtes mit ſehr dünnen Zweigen und einzelnen Riedgrashalmen auszukleiden. Jm nördlichen Skandinavien legt er, na<h Wolleys Beobachtungen, in der Zeit von der Mitte Mai bis zu Ende Funi, in der Tundra Weſtſibiriens anſcheinend auh niht ſpäter. Ende Juli und Anfang Auguſt fanden wir in verſchiedenen Horſten Junge im Daunenkleide.

Betritt man das Wohngebiet eines Nauhfußbuſſardpaares, ſo wird man gewiß durch die Alten ſelbſt auf den Horſt aufmerkſam gemacht und, wenn man verſtändnisvoll ihnen folgt, von ihnen ſogar zur Brutſtätte geführt werden. Einer der Alten hat den herbeikommenden Menſchen, einen ihm ungewohnten Gegenſtand, von ferne entde>t und fliegt eilig herbei, um ſi den Eindringling genau zu betrachten, bricht dann, wie bereits geſchildert, in lautflagendes Geſchrei aus und lo>t damit regelmäßig, meiſt bereits in den erſten Minuten, ſeinen Gatten herbei. Beide kreiſen in vorſichtig bemeſſener Höhe, mindeſtens außer der Schußweite eines Schrotgewehres, über dem Wanderer, ſchrauben ſih im Kreiſe allmählich höher und höher, ſtürzen von Zeit zu Zeit wieder tief herab, als ob ſie einen Angriff ausführen wollten, wagen aber niemals einen ebenſo kühnen Stoß wie Wanderfalken unter gleichen Umſtänden und ſeven ihre Sicherheit nicht aus den Augen. Aus der zunehmenden Heftigkeit ihres Geſchreis und ihrer Bewegungen kann man zwar entnehmen, daß man ſich dein Horſte nähert, demungeachtet iſt es niht immer leiht, ihn zu finden. Man fann in nicht allzu großer Entfernung an ihm vorübergehen, da er ſelbſt in keiner Weiſe auffällt und nur durch die auf weithin ſichtbaren lebenden Daunenklümpchen, die Jungen, erfenntlih wird. Findet man ihn rechtzeitig auf, ſo kann man, mit dem Fernglaſe vor dem Auge, weiter und weiter ſhreitend, das Treiben der Jungen trefflih beobahten. Harmlos, wie übli die Köpfe nah innen gerichtet, ſißen ſie in verſchiedenen Stellungen nebeneinander. Der eine lagert, den Hals ausgeſtre>t und den Kopf auf den Boden der Horſtmulde gelegt, behaglich, halb geſchloſſenen Auges, träumend oder ſ{lummernd; der andere hot auf den Fußwuxzeln und neſtelt ſich mit dem Schnabel im Gefieder; der dritte verſucht, die ſtummelhaften Fittiche zu bewegen, als ob er fliegen wollte; der vierte ſträubt ärgerlich das Kopfgefieder, auf dem mehr als ein Dugend blutgieriger Mücken ſißen; der fünfte fauert halb in ſih zuſammengeſunken zwiſchen den übrigen. Nun ſtößt plöglih der Alte, auf deſſen ängſtliches Rufen die geſamte junge Schar bisher noh nicht geachtet, tief herab und ſtreicht eiligen Fluges ſhwebend unmittelbar über dem Horſte dahin: und augenbli>lih duden ſic