Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Rauhfußbuſſard: Fortpflanzung Pflege der Jungen. Nahrung. 301

alle Jungen zu Boden nieder und verharren regungslos. Der eine, der ſeine Flügel zu bewegen verſuchte, wurde durch den, der den Mücken zürnte, über den Haufen geworfen und liegt jeßt ſchief auf dem Nüken, den einen geöffneten Fang dicht an den Leib angezogen, den anderen, halb geſ{loſſenen weit von ſich geſtre>t, ohne irgend eine Bewegung zu wagen, ohne dur< mehr als ein Zucken ſeines Auges und das Heben und Senken der atmenden Bruſt zu verraten, daß noh Leben in ihm ſei. So bildſäulenhaft verfahren die Fungen, ſolange man ſi< am Neſte aufhält. Man kann ſie zeihnen, ohne befürchten zu müſſen, daß einer ſeine Stellung verändere; man darf ſie aus dem Neſte heben und wieder zurüklegen: ſie werden ſih ſtets gebaren, als ob ſie leblos ſeien, und diejenige Stellung getreulih beibehalten, welche man ihnen zu geben für gut befunden. Währenddem ſchreien die Alten jämmerlich, ſtoßen herab, ſhwingen ſich in Kreislinien wieder nah oben empor, geben durch tauſend Zeichen ihre Angſt zu erkennen, wagen aber nicht, bis in Shußweite zu nahen.

Jhre Liebe zu den Jungen bethätigen ſie übrigens au<h noh in anderer Weiſe dadurc, daß ſie ihnen reihli<h Nahrung herbeiſchleppen. Fn dem einen Horſte fanden wir, obgleih er no< ſehr kleine Junge enthielt, außer verſchiedenen Reſten von Lemmingen einen offenbar vor wenig Minuten erſt abgewürgten jungen Kampfläufer, den die Fungen dem Anſcheine nah noh gar nicht verſchlingen konnten, und der vielleicht dazu beſtimmt war, von den Alten auf dem Horſte ſelbſt zerfleiſcht zu werden. Über den ferneren Verlauf der Aufaßzung und Erziehung der Jungen vermag ih nach eigner Beobachtung nichts mitzuteilen, habe hierüber auch in keinem der mir bekannten Werke etwas geleſen. Dagegen erfahren wir dur< Harvie-Brown und Alſton, daß das Weibchen in einem nicht zugänglichen, alſo im Geklüfte oder in Felſen ſtehenden Horſte außerordentlich feſt auf den Eiern ſizt und ſi zuweilen niht einmal dur eine nah dem Horſte abgefeuerte Kugel verſcheuchen läßt, ebenſo, daß der eine Gatte des Paares den Verluſt des anderen, der abgeſchoſſen worden iſt, raſch verſhmerzt und unter Umſtänden bereits am folgenden Tage wieder verehelicht ſein kann.

Das Beutetier, das den Rauhfußbuſſard an die Tundra feſſelt, iſt der Lemming oder doch die eine oder andere Art dieſes Geſchlechtes. Dank der außerordentlichen Häufigkeit beſagter Wühlmäuſe leidet der Vogel während der wichtigſten Zeit ſeines Lebens niemals Mangel. Lemminge fängt er mühelos, ſo viele er will und braucht; mit ihnen ernährt er ſi und ſeine Jungen. Daß er auh andere Tiere der Tundra nicht verſchmäht, hat uns der bereits erwähnte Kampfſtrandläufer bewieſen; daß er ſelbſt den Schneehaſen gefährden fann, wenn die heranwachſenden Fungen mehr als ſonſt zu rü>ſihtsloſem Naube anſpornen, läßt ſi< aus den Beobachtungen ſchließen, die wir an unſerem Vogel während der Zeit ſeines Winteraufenthaltes bei uns zu Lande geſammelt haben. Zwar bilden auch hier Mäuſe, namentlich Feld- und A>ermäuſe, ſo vorwiegend ſeine Nahrung, daß der Ausſtopfer Lokaj, dem, laut Fritſch, in manchem Winter bis 60 in der Umgegend von Prag erlegte Rauhfußbuſſarde zugeſandt wurden, verſichern durfte, ihren Kropf ſo gut wie ausſchließlih mit Feldmäuſen angefüllt und bloß gegen das Ende des Winters bei hohem Schnee zuweilen die Überreſte eines Rebhuhnes gefunden zu haben; aber der Hunger regt auch dieſen Buſſard zu Übergriffen an, die unſere Jäger ihm nun und nimmermehr verzeihen wollen. „Solange der Boden frei iſt“, ſagt E. von Homeyer, der ihn in Pommern ſeit zwei Menſchenaltern faſt allwinterlih beobachtet hat, „wird man den Nauhfußbuſſard kaum etwas Anderes jagen ſehen als Mäuſe, ſo bereit er auch iſ, Edelfalken und Hühnerhabichten ihre Beute abzujagen. Gern aber hält er ſi< in der Nähe des Jägers und der ſuchenden Hunde, und es iſt uns mehrfa<h vorgekommen, daß uns ein verwundetes, in einiger Entfernung fallendes Nebhuhn von dem Rauhfußbuſſard entführt wurde. Einen bemerkenswerten Fall erlebte ich einmal, als ih bei Frühſchnee mit einem Bekannten auf das Feld fuhr und noch einen Schuß