Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

310 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

ein Mann. Zux Nachtherberge wählt er gern einzeln ſtehende Bäume, die eine weite Umſchau geſtatten; aber auh hier läßt er den Menſchen ohne Bedenken an ſih herankommen.

Der Schlangenbuſſard verdient ſeinen Namen, denn ſeine Jagd gilt vorzugsweiſe dieſen Kriechtieren. Aber er begnügt ſich niht mit ihnen, ſondern nimmt auh Eidechſen und Fröſche auf, ſtellt den Fiſchen nach, jagt auh, nah Ferdon, ſelbſt auf Ratten, hwache Vögel, Krebſe, große Kerbtiere und Tauſendfüßer. Doch bilden Kriechtiere und Lurche unter allen Umſtänden ſein Lieblingswild. Er geht beim Angriffe ſo verſtändig zu Werke, daß ihm ſelbſt die gefährlihſte Schlange wenig oder nichts anhaben kann, und ſeine Kunſt im Jagen ſcheint ihm angeboren zu ſein. „Mein jung aufgezogener Schlangenadler“ ſo ſchreibt Mechlenburg an Lenz, „ſtürzt ſih blißſhnell auf jede Schlange, ſie mag ſo groß und wütend ſein, wie ſie will, pact ſie mit dem einen Fange dicht hinter dem Kopfe und mit dem anderen Fange gewöhnlih weiter hinten, unter lautem Geſchrei und Flügelſhlägen; mit dem Schnabel beißt er dicht hinter dem Kopfe die Sehnen und Bänder durch, und das Tier liegt widerſtandslos in ſeinen Fängen. Nach einigen Minuten beginnt er das Verſchlingen, indem er die ſi<h no< ſtark windende Schlange, den Kopf voran, verſ<hlu>t und bei jedem Schlucke ihr das Nückgrat zerbeißt. Er hat in einem Vormittage binnen wenigen Stunden drei große Schlangen verzehrt, worunter eine über 1 m lange und ſehr die. Nie zerreißt er eine Schlange, um ſie ſtückweiſe zu verſchlingen, die Shuppen ſpeit er ſpäterhin in Ballen aus. Schlangen zieht er jedem anderen Nahrungsmittel vor. Zu gleicher Zeit habe ih ihm lebende Schlangen, Ratten, Vögel und Fröſche gebracht; doh fuhr er, die ihm näher befindlichen Tiere nicht berücſihtigend, auf die Schlangen los.“ Sir Walter Elliot erwähnt, daß man einen geſehen habe, der von einer Schlange eng umringelt worden war, deren Kopf aber doch ſo feſt hielt daß alle Anſtrengungen des Giftwurmes vergeblih waren. Übrigens iſt ſeine Geſchi>lichkeit und ſein dihtes Gefieder der einzige Schuß gegen das Gift der Schlangen, er ſelbſt aber keineswegs giftfeſt, wie man früher glaubte. Auf den Wunſch von Lenz ließ Mechlenburg ſeinen Schlangenbuſſard von einer Kreuzotter in den Kopf beißen: der Vogel verlor von Stunde an ſeine Munterkeit und endete am dritten Tage.

Der Horſt, der regelmäßig auf hohen Laub- oder Nadelbäumen, aber in ſehr verſchiedener Höhe über dem Boden, ausnahmsweiſe auh auf Felſen ſteht, wird Anfang Mai erbaut oder wieder bezogen; denn das Paar kehrt, au<h wenn ihm die Eier genommen werden, viele Jahre lang regelmäßig zu demſelben Brutgebiete zurü>. Nach Seidenſachers eingehenden Beobachtungen erſcheint es in Steiermark um Mitte März, meiſt begleitet von einem oder zwei anderen ſeiner Art, und {webt zuerſt hoch in der Luft über dem gewählten Horſtplaße umher. Nach einigen Tagen hat ſi< die Geſellſchaft getrennt, und man ſieht fortan nur noh das Niſtpaar mit ſtarr gehaltenen Fittichen und faſt ohne Flügelſchlag kreiſen, vernimmt auch oft die laute Stimme, ein echtes, wie „hi hi“ flingendes Buſſardgeſchrei. Alsbald beginnt es au<h mit Ausbeſſerung ſeines alten Horſtes, falls es niht, dur< Eierraub oder wiederholte Störungen veranlaßt, einen anderen wählt oder ſelbſt einen neuen errichtet. Der Horſt ſelbſt iſt kaum größer als der unſeres Buſſards, beſteht aus dürren, nicht eben ſtarken Zweigen, und die flahe Neſtmulde iſ mit eben ſolchen ausgelegt. Wie andere Raubvögel kleiden die Alten die Neſtmulde wohl auh mit grünem Laube aus und befeſtigen außerdem grüne Zweige als Schattendah. Man hat angegeben, daß das Weibchen 2 Eier lege, immer aber nur ein einziges Ei gefunden und zwar in den erſten Tagen des Mai, bald na<h Ankunft der Vögel am Horſte. Es iſt länglihrund, verhältnismäßig ſehr groß, dünn und rauhſchalig und bläulihweiß von Farbe. Der Paarung gehen, laut Triſtram, oft wiederholte Flugſpiele voraus. Männchen und Weibchen verfolgen einander unter lautem Geſchrei, erheben ſih in die Luft,