Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

314 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel,

Freileben zeigt er ſich außerordentlich ſcheu, meidet jede auffallende Erſcheinung, unterſcheidet jedo< \{<werli<h zwiſchen gefährlichen und ungefährlichen Menſchen; in dex Gefangenſchaft hingegen wird er bald und in hohem Grade zahm, ſo zahm, daß er förmlih mit ſih ſpielen läßt, wie man mit einem Papagei ſpielt. Alle Raubvögel leiden ungern, wenn man ſie ſtreichelt: der Gaukler ſcheint ein beſonderes Wohlgefallen zu bekunden, wenn man ihn zwiſchen den Federn ſeines Halſes kraut oder ihn ſtreichelt. Doch muß ich bemerken, daß er ſih dies niht von jedermann, ſondern nur von ſeinen genaueſten Bekannten gefallen läßt. Anderen Vögeln gegenüber zeigt er ſih höchſt verträglich denkt mindeſtens niemals daran, irgend einem der größeren, die man zu ihm bringt, etwas Zzuleide zu thun. Überhaupt iſt er, wenn er ſißt, ebenſo ſill und ruhig, wie lebhaft, wenn er fliegt. Von gefangenen Gauklern vernimmt man nur höchſt ſelten einen Laut, gewöhnlih ein leiſes „Qua qua“ ſeltener ein lauteres „Kak kad“ oder ein gellendes RAU im Fluge hingegen ſtößt er gar nicht ſelten ein buſſardartig ſchallendes „Hihihi““ oder „Hiahia““ aus. .

Levaillant ſagt, daß der Gaukler junge Gazellen, Lämmer und kranke Schafe anfalle, jungen Straußen gefährlih werde und wie ein Geier auf das Aas falle; von Heuglin hat ihn als Feind kleiner Säugetiere kennen gelernt. Jh ſelbſt habe nie beobachtet, daß er große Säugetiere anfällt. Seine Beute beſteht in Kriectieren der verſchiedenſten Art, namentlih aber in Schlangen und Eidechſen; erſtere ſieht man ihn oft durch die Lüfte tragen. Dhne vorher zu kreiſen oder nah Art eines Buſſards oder Turmfalken zu rütteln, hält er plößlih in ſeinem ſcharfen Zuge an, und wie ein fallender Stein ſtürzt er ih mit brauſendem Geräuſche auf die erſpähte Schlange hernieder. Er ſ{<lägt ohne Unterſchied leine wie große, giftzähnige wie giftloſe. Hierauf begründet ſi<h die Sage, die ih oben erwähnte: die Araber halten die Schlangen, die der fliegende Vogel aufgenommen hat, für heilkräftige Wurzeln. Wie alle übrigen Schlangen vertilgenden Raubvögel Mittelafrikas eilt unſer Vogel von weitem herbei, wenn das Gras der Steppe angezündet wird, jagt beſtändig längs der Feuerlinie auf und nieder und ſtreicht oft durch die dichteſten Rauchwolken hindur<, hart über den Flammen dahin, um eins der Kriechtiere aufzunehmen, die vor dem Feuer fliehen. Daß er auch kleine Säugetiere, Vögel und ſelbſt Heu ſchre>en erjagt, hat von Heuglin dur Unterſuchung des Magens feſtgeſtellt; daß er auth auf das Aas fällt, unterliegt keinem Zweifel: Sir John Kirk erhielt einen, der das von einer Hyäne ausgebrochene vergiftete Fleiſch geſreſſen und davon betäubt worden war.

Levaillant ſagt, daß der Gaukler auf hohen Bäumen horſte und 3—4 weiße Eier lege; Speke dagegen behauptet, daß der Horſt nur 1 Ei enthalte. Die Wahrheit ſcheint in der Mitte zu liegen; denn von Heuglin erhielt zwei flügge Junge aus einem Horſte. Die Brutzeit fällt mit dem Beginne der Dürre zuſammen, weil dieſe dem Vogel leichtere Jagd gewährt als der Frühling, der unter der üppigen Grasdee die Kriechtiere verbirgt.

Jn neuerer Heit ſind öfters lebende Gaukler nah Europa gebracht worden, und gegenwärtig fehlen ſie kaum in größeren Tiergärten. Doch gehören ſie noh immer zu den geſuchteſten Vögeln, und namentlih die ausgefärbten werden gut bezahlt. Fn der That feſſelt kaum ein anderer Raubvogel den Beſchauer ſo wie der farbenprächtige und außerdem noh dur ſein Betragen ſo auffallende Gaukler. Seine Haltung verurſacht kaum Schwierigkeiten. Er iſt gewohnt, erheblihe Wärmeunterſchiede mit Gleihmut zu ertragen und fann deshalb in milden Wintern im Freien gehalten werden, läßt ſich auch leiht an das übliche Futter der Raubvögel, rohes Fleiſch, gewöhnen und iſt überhaupt höchſt beſcheiden in ſeinen Anſprüchen. Jh muß ihn nah meinen Erfahrungen für einen der lieben8würdigſten Käfigvögel erklären, den die Familie überhaupt uns liefern kann.

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