Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

316 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel,

ſih \{ließt. Ob er im Norden des feſtländiſhen Amerika vorkommt, iſt fraglich; erbeutet oder beobachtet hat man ihn hier, ſoviel mir bekannt, noh nicht.

Der bereits erwähnte Verwandte den ih ſeiner Shwanzzeihnung halber Bandſeeadler nennen will (Haliaëtus leucoryphus, fulyiventer, unicolor, albipes, lanceolatus und macei, Falco leucoryphus und macei, Aquila leucorypha, deserticola und macei, Cuncuma albipes und macei, Ichtyaëtus leucoryphus, Pontoaëtus leucoryphus und macei), vertritt unſeren deutſchen Seeadler im aralo-fkaſpiſhen Steppengebiete, am oberen Frtiſh und wahrſcheinlih im ganzen ſüdlihen Turkiſtan, da ihm Eversmann auf ſeiner Reiſe nah Buchara begegnete. Da der Vogel auh in Europa, namentlih an der unteren Wolga, in der Krim und in Bulgarien gefunden wird, will ih erwähnen, daß er ſi<h von unſerem Seeadler dur<h geringere Größe dunkelbraunen Obex- und lihtbraunen Unterkörper, fahlroſtbraunen Kopf und Nacken, rötlich iſabellfarbene Kehle und Oberhals und weißen, am Ende breit ſ{<hwarz gebänderten Schwanz unterſcheidet. Wie Alfred Baron Wildburg mitteilt erlegte Friedrich Freiherr von Bors im Winter 1867 einen Bandſeeadler in Ungarn.

Ebenſo darf der nordamerikaniſhe Weißkopfſeeadler (Haliaëtus leucocephalus und washingtoni, Falco leucocephalus, leucogaster und washingtoni, Aquila leucocephala) unſerem Werke nicht fehlen, nicht allein deshalb, weil er die europäiſche Art im Weſten vertritt, ſondern vornehmlich aus dem Grunde, weil er ſi<h wiederholt nah Europa verflogen haben und ſogar im Fnneren Deutſchlands, in Thüringen, erlegt worden ſein ſoll. Er iſ etwas kleiner als der Seeadler: ſeine Länge beträgt, je nah dem Geſchlechte, 72— 85, die Breite 190—211, die Fittihlänge 52—57, die Shwanzlänge 27—830 cm, Bei dem alten Vogel iſt das Rumpfgefieder ſehr gleihmäßig dunkelbraun, jede einzelne Feder lichter gerandet; Kopf, Oberhals und Schwanz aber ſind blendend weiß, die Schwingen ſ{<warz, Auge, Wachshaut, Schnabel und Füße etwas lichter gefärbt als bei den europäiſchen Verwandten. Das Jugendkleid iſt faſt überall ſ<hwarzbraun, am Kopfe, Halſe und Na>en dunkler, beinahe ganz ſ{hwarz, auf Nü>ken, Flügeln und Bruſt der helleren Federränder wegen lichter, der Schnabel dunkel hornfarbig, die Wachshaut grüngelb, das Auge braun, der Fang gelb.

Hinſichtlich ihrer Lebensweiſe und ihres Betragens ähneln ſi< alle mir bekannten großen Seeadler. Sie ſind träge, aber kräftige, ausdauernde und beharrlihe Raubvögel, dabei Räuber der gefährlihſten Art. Fh halte es für angemeſſen, eine Beſchreibung der Gattung mit Audubons dichteriſher Schilderung der weißköpfigen Art zu beginnen.

„Um euch einen Begriff von dem Weſen des Vogels zu geben, erlaubt mir, daß ih eu< nah den Ufern des Miſſiſſippi verſeße, wenn der nahende Winter Millionen von Waſſervögeln, die im Süden einen milderen Himmel ſuchen wollen, aus nördlicheren Gegenden herbeiführt. Jhr ſeht den Adler in erhabener Stellung aufgebäumt auf dem höchſten Wipfel des größten Baumes am Ufer des breiten Stromes ſigen. Sein glühendes Auge überſchaut das weite Gebiet, und er lauſcht aufmerkſam auf jeden Laut, der von ferne her zu ſeinem ſcharfen Ohre dringt. Ab und zu fällt einer ſeiner Bli>ke auf den Boden herab, und niht einmal ein unhörbar dahinſchleihendes Hirſchkalb würde ihm entgehen. Sein Gatte hat auf dem gegenüberliegenden Ufer des Stromes gebäumt und ruft, wenn alles ill und ruhig iſt, zuweilen nah ſeinem harrenden Gefährten hinüber. Auf ſolchen Ruf hin öffnet dieſer ſeine breiten Schwingen, neigt ſeinen Leib niederwärts und ant: wortet in Tönen, die an das Gelächter eines Wahnſinnigen erinnern. Fm nächſten Augenbli>fe nimmt ex ſeine frühere Stellung an, und die Stille iſt wieder eingetreten.