Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Seeadler: Angriffe auf Beutetiere. Nahrung. Begabung. 3921

des unterirdiſ< wühlenden Blindmolles zu bemächtigen, indem er dieſen mit größter Gewandtheit in dem Augenblike ergreift, in welchem er ſeine Haufen aufſtößt. Jn den Magen von mehr als einem Dußend Seeadlern, die Nordmann in den Steppen erlegt und unterſult hat, fanden ſi< niemals die Überreſte von Fiſchen, ſondern unabänderlich ſolche von Säugetieren, Vögeln und, obſchon ſeltener, auh Eidechſen. Als Aasfreſſer ſteht der Seeadler den Geiern kaum nach. Selbſt an der Küſte nährt er ſi nicht zum geringſten Teile von toten, an das Ufer geſpülten Fiſchen; im Binnenlande verfehlt er nie, ſih an einem gefundenen Aaſe einzuſtellen. Jn einem Walde in der Nähe der Stadt Falutarofſfsk am Tobol traf ih niht weniger als aht Seeadler an, die vom Aaſe mehrerer Pferde kröpften und wahrſcheinlich ſchon ſeit Wochen hier ihren Standort genommen hatten. Um dieſe Zeit war der Tobol freilih noh mit Eis bede>t und an Fiſchen Mangel. Die Fertigkeit, mit welcher er auch verde>t liegendes Aas aufzufinden weiß, iſt ſtaunenerregend; von Meyerin> glaubt ſi< deshalb auch berechtigt, ihm beſonders ſcharfe Witterung zuzuſprechen. „Wenn man“, ſchreibt er mix, „in einem Dickicht ein totes Pferd auslegt, um Sauen und Füchſe damit anzukirren, das Luder aber mit Erde und Reiſigholz bede>t, damit es nicht ſo ſchnell verzehrt werde, muß man doch bald bemerken, daß die Adler die Beute erſpäht haben und das Pferd annehmen, troßdem ſie es aus der Luft niht ſehen konnten.“ F< glaube niht, daß die Folgerung richtig iſt, meine vielmehr, daß auch der Seeadler ebenſo wie die Geier dur das um ein Aas ſih ſammelnde Gewimmel der Naben auf den verborgenen Fraß aufmerkſam gemacht wird. Ungeachtet aller Übergriffe und Verirrungen, die der ſtattliche Naubvogel ſi< zu \ſ{hulden kommen läßt, ſind und bleiben Fiſche ſeine Hauptnahrung; ſie bilden daher das Wild, dem er in erſter Reihe nachſtellt. An der Seeküſte wie an Süßgewäſſern verweilt und horſtet er nur der Fiſche halber. Niemals verfehlt er, ſih in der Nähe von Fiſchereiſtellen, die liederlih bewirtſchaftet werden, einzufinden, wird hier auch, wenn ex keine Nachſtellung erfährt, zuletzt ſo dreiſt, daß er wenige Schritt von den Fiſcherhütten entfernt aufbäumt und lungernd ſpäht, ob etwas für ihn abfalle.

Jn ihren Begabungen ſtehen alle Seeadler hinter den Adlern zurü>. Sie bewegen ſi auf dem Boden vielleiht geſhi>ter als dieſe und beherrſchen, wie bemerkt, in gewiſſem Grade das Waſſer; ihr Flug aber ermangelt der Gewandtheit und Zierlichkeit, die den aller Edeladler in ſo hohem Grade auszeihnet. Jhr Flugbild iſt ein von dem leßtgenannter Adler verſchiedenes: der kurze Hals und der kurze, ſtark zugerundete Shwanz im Verhältnis zu den ſehr langen, aber wenig und faſt gleihmäßig breiten Schwingen ſind ſo bezeihnend, daß man ſie kaum mit ihren edleren Verwandten verwe<ſeln kann. Auch fliegen ſie mit viel ſ{<werfälligeren Shwingenſchlägen und weit langſamer als dieſe, obwohl no< immer ſehr raſh, au< wenn ſie ohne Flügelſchlag gleitend oder kreiſend dahinſhweben. Dagegen übertreffen ſie die Edeladler in einer Fertigkeit, die nur wenigen Raubvögeln eigen iſt, in der Gewandtheit nämlich, mit welcher ſie das Waſſer beherrſhen. Auch der Seeadler iſt ein Stoßtaucher wie der Fiſchadkler und der Fiſchgeier und wetteifert in dieſer Beziehung mit jeder Möwe oder Seeſhwalbe. Nach einer dem ſ{<wediſhen Naturforſcher Nils ſon gewordenen Mitteilung eines trefflihen Beobachters legt er ſi<h zuweilen, um auszuruhen, geradezu auf die Meeresfläche, als ob er ein Shwimmvogel wäre, bleibt, ſolange es ihm gefällt, auf den Wellen liegen, richtet, wenn ex auffliegen will, die Shwingen faſt ſenkrecht empor und erhebt ſih mit einem einzigen Flügelſhlage vom Waſſer. Die Sinne ſtehen mit denen der Adler ungefähr auf gleicher Höhe.

Jm März ſchreitet der Seeadler zur Fortpflanzung. Es iſt wahrſcheinlich, daß auch er mit ſeinem Weibchen in treuer Ehe auf Lebenszeit lebt demungeachtet hat er mit jedem vorüberziehenden Männchen ſ{<hwere Kämpfe zu beſtehen, und ein ungünſtiger Ausgang fann ihm möglicherweiſe die Gattin foſten. „Zwei männliche Seeadler“, erzählt Graf

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. VI. BI