Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Gilatier: Verbreitung. Leben8weiſe. Giftigkeit. LILIE

Deppes kurze und inhaltloſe Lebensſchilderung der Kruſtenechſe iſt neuerdings dur Sumichraſt in jeder Beziehung vervollſtändigt worden. Die abſonderliche Echſe lebt, nach Angabe des leßtgenannten Beobachters, ausſcließlih auf der Weſtſeite der Kordilleren, bis zum Stillen Meere herab, und zwar nur in tro>enen Gegenden, ſcheint auch freiwillig niemals ins Waſſer zu gehen. Sie iſt ein Nachttier, bewegt ſih langſam und ſhwerfällig und ſ<leppt, wenn ſie alt geworden iſt oder trächtig geht, den ſ{hweren Leib auf dem Boden. Den Tag über verbirgt ſie ſih in ſelbſtgegrabenen Löchern am Fuße der Väume oder unter Pflanzenreſten und liegt hier unbeweglih, in ſi<h zuſammengerollt. Abends fommt ſie zum Vorſchein und jagt nunmehr auf allerlei Kleingetier: ungeflügelte Kerſe, Regenwürmer, Tauſendfüßer, kleine Fröſche und dergleichen, die ſie namentli<h auf Waldpfaden ertappt, oder gräbt die Eier der Leguane aus, verſhmäht ſelbſt bereits in Fäulnis übergegangene Stoffe niht. Jn der Regenzeit begegnet man ihr am häufigſten, in den Monaten November bis Juni am ſeltenſten; es ſcheint daher, daß auch ſie Sommer- oder, da die Zeit der Hiße und Dürre unſeren kalten Monaten entſpriht, Trocenſchlaf halte wie viele andere Kriechtiere in Mittel- und Südamerika.

Wenn man ſie reizt, trieft ihr weißlicher klebriger Geifer aus dem Maule, der von den ſehr entwidelten Unterkieferdrüſen abgeſondert wird, und ſie läßt dabei ein tiefes Ziſchen wahrnehmen. Die Annahme, daß die Furhenzähne und der Bau der ſtark entwi>elten Unterfieferdrüſe das Gilatier als eine giftige Eidechſe kennzeihnen, wird nah F. G. Fiſcher dur den anatomiſchen Befund nicht zurückgewieſen. Sie gewinnt nah ihm an Wahrſcheinlichkeit dur die in neuerer Zeit mehrfa<h beſtätigten re<ht ſ{limmen Folgen des Viſſes. Hierbei ſoll ganz abgeſehen werden von der Meinung der Eingeborenen, die den Biß des Tieres für gefährlicher halten als den der bösartigſten Giftſchlangen.

Sumichraſt hat einige Verſuche gemacht, die ganz unzweifelhaft die giftige Wirkung des Biſſes beweiſen. Ex ließ dur<h ein no< dazu ganz junges und ſehr ſhle<t genährtes Gilatier ein Huhn in die Seite beißen; dieſes ſtarb unter deutlihen Zeichen der Vergiftung. Eine in den Hinterfuß gebiſſene ſtarke Kaße erholte ſi<h zwar wieder von der unter Anzeichen der heftigſten Schmerzen eingetretenen Hinfälligkeit, blieb aber fortan äußerſt mager und ſtumpfſinnig. Dieſe an Vögeln und Säugetieren angeſtellten Beobachtungen Sumichraſts werden -dur< eine Erfahrung ergänzt, die JF. Stein an ſih ſelbſt gemacht und F. G. Fiſcher berihtet hat. Das größere der beiden Stücke, an dem Fiſcher ſeine anatomiſchen Unterſuchungen anſtellte, war eine Zeitlang von Stein in Mexiko in Gefangenſchaft gehalten worden. Er wurde bei Überführung des Tieres in einen anderen Käfig in den Finger gebiſſen. Das Glied und der ganze Arm ſchwollen unter den heftigſten Schmerzen ſtark an, und bedeutende Störungen des Allgemeinbefindens ſtellten ſih ein. Noch längere Zeit nachher hatte die Haut des Armes ein gelbes, pergamentartiges Ausſehen.

Aus dem Mitgeteilten dürfte wohl hervorgehen, daß dem Gilatiere von den Eingeborenen mit Recht giftige Eigenſchaften zugeſchrieben werden, wenn auch niht geleugnet werden darf, daß der Biß nur in recht ſeltenen Fällen tödlih auf den Menſchen wirkt. Seit 1881 haben ſi< R. W. Shufeldt, G. A. Boulenger, JF. Fayrer, S. W. Mitchell, E. T. Reichert, S. Garman, G. A. Treadwell und H. C. Yarrow mit Verſuchen an dieſem Tiere beſchäftigt und ſich teils für, teils gegen die Gefährlichkeit des Biſſes für den menſ<hlihen Drganismus erklärt. Die Summe aller Beobachtungen aber ergibt, daß das Gilatier neben einem zweiten Gattungsgenoſſen (Heloderma suspectum) die einzige wirkli giftige Eidechſe iſt, daß ſein Biß kleinere Tiere, wie Fröſche und Tauben, in wenigen Minuten tötet und auf den Menſchen giftig, wenn auh nicht tödlich einwirkt.

Jn Gefangenſchaft erhält man das Tier mit Eiern; es hat ein wenig anzichendes Gebaren. Nach A. Zipperlen liegt es den ganzen Tag über unbeweglih da, häutet ſi