Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

132 Erſte Unterordnung: Eidechſen; elfte Familie: Eidechſen.

Die CEidechſen (Lacertidae), die wir als Urbilder der Drdnung anſehen, wohl: geſtaltete Tiere mit vollſtändig ausgebildeten Gliedern, kennzeichnen ih dur< den walzig geſtre>ten Leib, den vom Halſe deutlih abgeſeßten Kopf, den ſehr langen, dünn auslaufenden zerbre<li<hen Schwanz, die vier fünfſzehigen Füße, das äußerlich ſihtbare Trommelfell, die gut entwi>elten, meiſt frei beweglichen Augenlider und die knochigharten, mit ihrer Unterlage feſt verwachſenen viele>igen Schilde, die den Kopf, die körnigen, niemals Hautknochen enthaltenden Schuppen, die Rücken und Seiten, die viere>igen längs- und quergereihten Schilde, die den Bauch bekleiden, ferner dur< ihre in einer Rinne der Oberund Unterkinnlade und zwar an deren inneren Seite angewachſenen kegelförmigen, geraden, am freien Ende etwas gebogenen hohlen, zwei- oder dreiſpizigen Zähne, den einfahen Zwiſchenkieſer und die platte, vorn verſhmälerte, ſhuppige, tief geſpaltene, zweiſpißzige Zunge ſowie endlih dur die deutlih ſihtbaren Schenkelporen.

Alle Eidechſen ſind in der Alten Welt zu Hauſe und werden ſ{<hon in Europa dur viele Arten vertreten. Mit Ausnahme unſerer Blindſchleiche gehören ſämtliche deutſche Scuppenechſen dieſer Familie anz ihnen geſellen ſih jedo<h in Südeuropa noch viele andere zu, aber beſonders rei iſt Afrika an ihnen. Oſtaſien beherbergt nur wenige, aber darunter die ſchnellſten und langſhwänzigſten Formen, bei welchen der Shwanz die Körperlänge um das Vier- bis Fünffache übertrifft. Die etwa 100 Arten, die man unterſchieden hat, verteilen ſi<h auf 17 Gattungen. Unſerem Zwe>e darf es genügen, wenn wir vor allem die deutſchen und ein paar ſüdeuropäiſche Arten ins Auge faſſen.

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Die heimiſchen Eidehſen wählen die Abhänge ſonniger Hügel, Mauern, Steinhaufen, Gewurzel von Baumſtämmen, Hecken, Zäune und Geſträucher, ſonnige Raine 2c. zum Auf: enthalte, graben ſih hier eine Höhlung oder benußen eine vorgefundene und entfernen ſi ſelten weit von dieſem Mittelpunkte ihres Gebietes. „Eine Sitte, welche die Eidechſen mit ſehr vielen niederen und höheren Tieren gemein haben“, ſagt Leydig, der ein umfaſſendes Werk über unſere deutſchen Echſen geſchrieben hat, „iſt ihr zähes Feſthalten an dem Fle>chen Erde, wo ſie zur Welt kamen. Man wird in Gegenden, die uns durch viele Streifereien genau bekannt ſind, bemerken, daß ſih die Eidechſen jahraus jahrein an gewiſſe Bezirke halten, ohne ſih über andere Örtlichkeiten, die, ſoviel ſi beurteilen läßt, glei paſſend wären, auszubreiten. Das Wandern ſcheint alſo auch hier erſt dann und als Notwendigkeit einzutreten, wenn der Plaß überfüllt iſt.“

Bei warmem Wetter liegen die Eidechſen im Freien, am liebſten ins Sonnenſchein auf der Lauer und ſpähen mit funkelnden Augen auf allerlei Beute, insbefondere auf fliegende Kerbtiere; an kühlen oder regneriſchen Tagen halten ſie ſi< in ihren Höhlen verborgen. Sie ſind im eigentlichen Sinne des Wortes abhängig von der Sonne, laſſen ſih nur dann ſehen, wenn dieſe vom Himmel lacht, und verſchwinden, ſobald ſie ſih verbirgt. Um ſich zu ſonnen, ſuchen ſie ſtets diejenigen Stellen aus, welche ihnen die meiſte Wärme verſprechen, ſteigen deshalb ſelbſt an Baumſtämmen, Pfählen und dergleichen in die Höhe, verbreitern dur<h Hebung der Rippen und Spannung der Haut ihren Leib und platten ihn ſoviel wie möglich ab, als ob ſie fürchteten, daß ihnen ein einziger Strahl des belebenden Geſtirnes verloren gehen könne. Je ſtärker die Sonne ſcheint, um ſo mehr ſteigert ſih ihre Lebhaftigkeit, um ſo mehr wähſt ihr Mut. Jn den Morgen- und Abendſtunden zeigen ſie ſih zuweilen träge und auffallend ſanft, in den Mittagsſtunden niht nur äußerſt behende, ſondern oft au< ſehr mutig, ja förmlih raufluſtig. Gegen den Herbſt hin bringen ſie viel Zeit im JFnneren ihrer Höhle zu, und mit Beginn des Oktober ſuchen ſie bei uns zu Lande ihr Winterlager, in welchem ſie bis zum Eintritte des Frühlings verweilen.