Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Ein Blick auf das Leben der Geſamtheit.

Die Fiſche bilden eine Wirbeltierklaſſe, deren Angehörige ohne Ausnahme Kiemen tragen. Dieſe wenigen Worte bezeihnen die Klaſſe der Fiſche mit weit größerer Schärfe und Beſtimmtheit, als es eine umſtändlihe und genaue Beſchreibung des Baues ihrer inneren und äußeren Organe thun könnte.

Dex Binnenländer, der nur Flußfiſhe kennt, gewinnt, ungeachtet der Verſchiedenheit dieſer, keinen Begriff von der Mannigfaltigkeit der Geſtalten, die wir unter den Fiſchen antreffen. Sie ſtehen hierin keiner anderen Wirbeltierklaſſe nach, können vielmehr mit jeder wetteifern. Allerdings ſind die meiſten unſeren gewöhnlichen Süßwaſſerfiſchen ähnlich geſtaltet; do< ändert die Geſtalt vieler in der mannigfaltigſten Weiſe ab und geht in die ſonderbarſten Formen über, auch in ſolche, welche uns als häßliche Verzerrungen erſcheinen wollen. Der Leib ſtre>t ſi< zur Schlangen- oder Wurmgeſtalt, plattet ſih ſeitlih ab, daß er bandförmig wird, oder zieht ſih gleichzeitig auh in der Längsausdehnung zuſammen und rundet ſi zur ſenkre<t ſtehenden Scheibe, drü>t ſi< von oben nah unten nieder, verbreitert ſi< in wagerehter Richtung und ſeßt ſeitlih no< flügelartige Anhänge an, einzelne Teile verlängern ſi, ſozuſagen, maßlos, wandeln ſi unförmlih um, verdrehen und verzerren ſi, andere verſhmelzen miteinander, andere verſhwinden gänzlich. Keine Wirbeltierklaſſe weiter zeigt ſo ſonderbare, ſo unverſtändliche Anhängſel, ih möchte ſagen Zuthaten zu dem regelmäßigen Baue, wie die der Fiſche, keine eine ähnliche Vielſeitigkeit in Anordnung der Gliedmaßen und Sinneswerkzeuge. Als bezeihnend für die Fiſchgeſtalt mag gelten, daß man an dem Leibe kaum die einzelnen Teile erkennen und unterſcheiden fann. Niemals iſ der Kopf dur< den Hals vom Rumpfe getrennt, nur ausnahmsweiſe ein von legterem beſtimmt abgeſezter Schwanz zu bemerken, in der Regel vielmehr der Schwanzteil ebenſogut wie der Kopf mit dem Rumpſteile verſhmolzen. Von einer Gliederung, wie ſie die große Mehrzahl der übrigen Wirbeltiere beſigt, kann man bei den Fiſchen faum ſprechen.

Die den Fiſchen eigentümlichen, dur< knorpelige oder knochige Strahlen geſtüßten Floſſen werden am beſten nah ihrer Stellung und Anordnung in paarige und unpaarige eingeteilt. Die erſteren, die den Gliedmaßen der übrigen Wirbeltiere entſprechen, haben eine von den leßteren durhaus verſchiedene Beſchaffenheit, obgleich die Strahlenbildung übereinſtimmt. Die Bruſtfloſſen, die faſt immer vorhanden und regelmäßig hinter Den Kiemen eingelenkt ſind, ſtehen auf dem aus zwei oder drei Teilen zuſammengeſeßten, meiſtens am Schädel befeſtigten Schultergürtel; die Bauchfloſſen dagegen ruhen auf einem einzigen Knorpel- oder Knochenſtücke, das einfa< in der Bauchwand ſte>t. Sie ſtehen bei den meiſten Fiſchen unter dem Bauche, etwa in der Mitte der Leibeslänge, dem After ziemlich nahe

gerüdt, ausnahmsweiſe aber noh vor den Bruſtfloſſen, namentlih an der Kehle, weshalb Brehm, Tierleben. 3. Auflage. VII. 10