Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

10 Ein Bli auf das Leben der Geſamtheit.

„Shhließlih muß no< in Verbindung mit den Giftorganen eine eigentümliche, bei vielen Welsarten vorkommende Einrichtung erwähnt werden, obgleich deren Bedeutung noh rätſelhaft iſt. Einige dieſer Fiſche ſind mit mächtigen Bruſtfloſſenſtaheln bewaffnet und werden mit Recht wegen der gefährlichen Wunden gefürchtet, die ſie beibringen können. Nicht wenige von ihnen beſißen überdies einen Sa> mit mehr oder minder weiter Öffnung in der Achſelgrube der Bruſtfloſſe, und es erſcheint niht unwahrſcheinlih, daß dieſer eine Flüſſigkeit enthält, die mittels des Bruſtfloſſenſtachels eingeimpft werden kann. Ob aber dieſe Abſonderung bei allen mit einem A<hſelgrubenſa>e verſehenen Arten glei giſtig iſt, oder ob ſie überhaupt giftige Eigenſchaften beſißt, iſt eine Frage, die nur dur< Verſuche, die mit lebenden Fiſchen anzuſtellen ſind, entſchieden werden kann.“

Giftig iſt übrigens auh das Fleiſh mancher Fiſche, und zwar nur zeitweilig oder immer; der Genuß ſolcher Fiſche kann heftige Erkrankung der Verdauungswerkzeuge, Entzündung der Schleimhäute hervorrufen und, wenn niht raſh ſicher wirkende Heilmittel angewendet werden, ſehr oft auh den Tod bringen. Dieſe giftigen Fiſche bewohnen hauptſählih die warmen Meere; in den Gewäſſern um Cuba finden ſi<h, na<h Poey, davon niht weniger als 72 Arten. Laut Günther ſcheinen beſonders giftig zu ſein mante Arten von Clupea, Scarus, Tetrodon, Diodon, Sphyraena, Caranx, Balistes, Ostracion, Thynnus 2c. „Alle oder nahezu alle dieſe Fiſche“, ſagt unſer Gewährsmann, „erwerben ihre giftigen Eigenſchaften dur< ihre Nahrung, die aus giftigen Quallen, Korallen oder in Zerſeßung begriffenen Stoffen beſteht. Häufig erweiſen ſih die Fiſche als genießbar, wenn der Kopf und die Eingeweide unmittelbar nah dem Fange entfernt werden. Jn Weſtindien wurde feſtgeſtellt, daß alle auf gewiſſen Korallenbänken lebenden und dort freſſenden Fiſche giftig ſeien. Bei anderen Fiſchen entwi>eln ſich die giftigen Eigenſchaften nur in gewiſſen Abſchnitten des Jahres, vorzüglih zur Zeit der Fortpflanzung, ſo bei der Barbe, dem Hechte und der Quappe, deren Rogen heftige Durchfälle erzeugt, wenn er zur Laichzeit genoſſen wird.“

Nach den wiederholt ausgeſprochenen Grundſäßen können wir die Fiſche niht als begabte Tiere erklären. Jhre Bewegungsfähigkeit beſchränkt ſich, ſreng genommen, auf das Schwimmen, iſt alſo ſehr einſeitig. Mehrere Arten der Seefiſhe können ſi<h über das Waſſer erheben und eine Stre>e gleihſam im Fluge zurü>legen; ihr Fliegen iſt jedo< eigentlih nichts anderes als ein dur die großen, als Fallſhirm wirkenden Bruſtfloſſen unterſtüßtes Durchgleiten der Luft, wozu der im Shwimmen genommene Anlauf den Anſtoß gab; die vermeintlihe Mehrbegabung iſt alſo von geringer Bedeutung. Ebenſo kennt man mehrere Arten, die im ſtande ſind, auf flüſſigem Schlamme vorwärts zu kriechen ooer ſi<h in ihm einzubohren, ebenſo einzelne, die ſih in ähnlicher Weiſe und unter beſonderer Mithilfe ihrer Floſſen auf tro>enem Lande zu bewegen, ſogar ſchiefe Flächen ſowie Wurzeln 2c. zu erklimmen vermögen; allein dieſes Kriehen oder Klettern kann ebenſowenig mit dem zierlichen Fortgleiten einer Schlange verglichen werden wie das Fallen durch die Luft mit dem Fluge der Vögel. Bewegungsfähig erſcheinen uns die Fiſche nux, ſolange ſie im Waſſer ſind, nur, wenn ſie ſchwimmen. Hierin legen ſie allerdings eine ſehr hohe Meiſterſchaft an den Tag. Man ſagt, daß der Lachs in der Sekunde 8, in der Stunde über 25,000 m zurüdlegen könne, und hat, ſoweit es die erſte Angabe betrifft, wahrſcheinlih niht übertrieben; denn in der That dur{<ſhneidet dieſer Fiſh die Wellen ſcheinbar mit der Schnelligkeit eines Pfeiles, erreiht aber doh nur die Geſchwindigkeit eines ſ{hnellen Seedampfers, die nah A. Seitz durchſchnittlih auh die Flugfiſhe mittlerer Größe