Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Farbenwechſel. Verſtand. Vorkommen. Wohngebiete. 13

Heimat unſerer Tiere iſt das Meer, von den Polargegenden bis zum Gleicher, das Weltmeer und alle ſeine Verzweigungen und Ausbuhhtungen, welchen Namen ſie führen mögen. Damit ſoll niht geſagt ſein, daß die ſüßen Gewäſſer der Erde der Fiſche ermangeln, ſondern nur ſo viel, daß die Anzahl der Arten und Einzelweſen der ſtehenden und fließenden Binnengewäſſer mit dem Reichtum des Meeres kaum verglichen werden kann. Wahrſcheinlih kennen wir erſt den geringeren Teil aller Fiſche, die es gibt, haben alſo von der Mannigfaltigkeit dieſer Klaſſe noh keine3wegs eine der Wirklichkeit entſprehende Vorſtellung; gleihwohl dürfen wir die vorſtehende Behauptung für rihtig halten. Die Artenzahl der Fiſche des Meeres im Vergleiche zu jener der Süßgewäſſer entſpricht wirklich der Größe des Meeres und ſeiner Waſſermenge, gegenüber dem Fnhalte der Süßwaſſerbe>en und Waſſerläufe.

Die Fähigkeit der Fiſche, in den verſchiedenartigſten Gewäſſern, unter den verſchiedenartigſten Verhältniſſen und Umſtänden zu leben, iſt ebenſo außerordentlih wie die Shmiegſamkeit der Vögel äußeren Einflüſſen gegenüber. Es gibt äußerſt wenige Gewäſſer, in denen man keine Fiſche findet. Sie ſteigen von der Niederung aus, dem Waſſerlaufe entgegenſ<hwimmend, bis zu 5000 m Höhe empor und verſenken ſi< im Meere bis in die größten Tiefen, die wir kennen. Einzelne von ihnen bevorzugen die oberen Waſſerſchichten, andere halten ſi< im Gegenteile in den unterſten auf und leben hier unter dem Dru>e einer Waſſerſäule, deren Gewicht wir wohl berehnen, uns aber kaum vorſtellen können. Den neueren Befunden zufolge dürfen wir glauben, daß die Meerestiefen viel dichter bevölfert ſind, als wir bisher annahmen. Auch die höheren Breitengrade ſeßen der Verbreitung der Fiſche kein Ziel. Allerdings ſind die Meere des heißen und gemäßigten Gürtels reichhaltiger an Fiſchen als die der beiden falten; aber auh hier wohnen unſchäßbare Maſſen von ihnen, auch hier beleben ſie alle Teile des Meeres in unendlicher Menge.

Die Verbreitung namentlih der einzelnen Arten erſcheint geringer, als man glauben möchte, wenn man bedenkt, daß das Waſſer ſo bewegungsfähigen Geſchöpfen das Reiſen im hohen Grade erleihtert und jeder Fiſh immer mehr oder weniger die Gabe beſißt, in verſchiedenen Gewäſſern oder doh Teilen eines ſolchen zu leben. Aber Grenzen gibt es auch auf dem unendlichen Meere. Ganz allmähli<h wird die eine Art durch eine verwandte erſet, weiterhin dieſe wiederum durch eine zweite, dritte, vierte, ſowie auh zu der einen Form bald eine neue tritt. Wenige Fiſche finden ſi an allen Küſten desſelben Weltmeeres. Auch ſie halten an gewiſſen Wohnkreiſen feſt, ſcheinen an der Stätte ihrer Geburt mit einer Fnnigkeit zu hängen, für die wir no<h keine Erklärung gefunden haben. Kaum Zweifeln iſt es unterworfen, daß die Lachſe, die in einem Fluſſe geboren wurden, ſpäter, wenn ſie ſih fortpflanzen wollen, auh wieder zu dieſem Fluſſe zurü>kkehren, immer zu ihm, nicht zu einem anderen, wenn auch ein ſolcher unweit ihres heimatlihen münden ſollte. Dies läßt ſi< nur erklären, wenn man annimmt, daß die jungen Lachſe ſi<h na< ihrem Eintritte in das Meer in der Nähe der Mündung ihres Heimatfluſſes aufhalten, alſo ein in Beziehung auf ihre Bewegungsfähigkeit außerordentlich kleines Gebiet abgrenzen und es in der Regel niht überſchreiten. Ausnahmsweiſe freili<h nimmt man auch bei den Fiſchen weitere Reiſen wahr. Haifiſche z. B. folgen Schiffen, andere treibenden Schifſsplanken durch Hunderte von Seemeilen, von ſüdlichen Meeren bis in nördlihe und umgekehrt; andere erſcheinen als verſhlagene oder verirrte an ihnen fremden Küſten, Mittelmeerfiſche z. B. in den britiſhen Gewäſſern. Aber ſie bilden Ausnahmen; denn im allgemeinen beſchränken ſich die Meerfiſche auf beſtimmte Gürtel, ja ſelbſt Teile von ſolchen, wie einzelne Süßwaſſerfiſhe auf gewiſſe Flüſſe und Seen, und die Wanderungen, die von ihnen unternommen werden, ſind ſicherlich viel geringer, als wir glauben. Fahrelang hat man angenommen, daß das Eismeer uns die Milliarden von Heringen ſende, die an den Küſten