Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

Verbreitung. Lebenszähigkeit, Erſebung verlorener Körperteile. Lebensweiſe. 17

Cisblo> eingefroren geweſen iſt, und gedeiht auh in den ſüdlichen Teilen des gemäßigten Gürtels. Anderſeits ſind gewiſſe Süßwaſſerfiſhe gegen einen Waſſerwechſel ſo empfindli, daß ſie zu Grunde gehen, wenn ſie aus ihrem heimatlichen Fluſſe in einen anderen verſet werden, obgleich dieſer ihnen ſcheinbar dieſelben natürlichen Verhältniſſe bietet. Einige Seefiſche laſſen ſi plößlih aus dem Salzwaſſer in das ſüße Waſſer überſeßen, wie die Stichlinge, einige Schleimfiſche 2c., andere überleben den Wechſel, wenn er nur allmählih vor ſi geht, wie viele wandernde Fiſche; während andere wieder nicht die geringſte Änderung in der Zuſammenſeßung des Salzwaſſers ertragen können. Fm allgemeinen ſind Beiſpiele von Seefiſchen, die ſi< freiwillig in Bra>- oder Süßwaſſer begeben, ſehr zahlreich, während e<te Süßwaſſerfiſhe nur ſelten in das Salzwaſſer hinabgehen. Nahrungsmangel berührt verſchiedene Fiſche gleichfalls in verſchiedenem Grade. Meeresfiſhe vermögen den Hunger minder leicht zu ertragen als Süßwaſſerfiſche, wenigſtens in den gemäßigten Breiten; an tropiſchen Fiſchen wurden hierüber no< keine Beobachtungen angeſtellt. Von Goldfiſchen, Karpfen, Aalen weiß man, daß ſie im ſtande ſind, monatelang ohne Nahrung zu beſtehen, während gewiſſe Seefiſhe den Nahrungsmangel nur 14 Tage lang zu ertragen vermögen. Bei den Süßwaſſerfiſhen iſt die Temperatur des Waſſers von großem Einfluſſe auf ihre Lebensthätigkeit im allgemeinen und folglih auh auf ihre Freßluſt, viele hören im Verlaufe des Winters gänzlih auf zu freſſen; einige, wie der Hecht, haben weniger Freßluſt in der Hite des Sommers als bei niedriger Temperatur.

„Wunden machen auf Fiſche gewöhnlich viel weniger Wirkung als auf höhere Wirbeltiere. Ein Grönlandhai fährt fort zu freſſen, während ſein Kopf von einer Harpune oder von dem Meſſer dur<bohrt iſt, ſolange nur das Nervencentrum unberührt bleibt; ein Seebarſch oder ein Het überlebt den Verluſt eines Teiles ſeines Schwanzes, ein Karpfen den ſeiner halben Schnauze. Einige Fiſche jedo<h ſind empfindliher und gehen {hon an einer oberflählihen Abſchürfung der Haut zu Grunde, die etwa die Maſchen des Neßes bei ihrem Fange verurſachten. Das Vermögen der Wiedererſebung verlorener Teile iſt bei gewiſſen Arten auf die zarten Enden ihrer Floſſenſtrahlen und die verſchiedenen Hautfäden beſchränkt, womit einige verſehen ſind. Dieſe Fäden ſind manchmal in außerordentlihem Maße entwidelt und ahmen in ihrer Form das wogende Laub der Seepſlanzen nach, worin ſih der Fiſh zu verbergen pflegt. Sowohl die Enden der Floſſenſtrahlen als auc die Fäden gehen oft verloren, niht nur dur< Zufall, ſondern auh durch bloße Abnußzung, und da dieſe Anhängſel für die Erhaltung des Fiſches weſentlih ſind, wird ihre

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Wiedererſeßung eine Notwendigkeit.

So einförmig und gleichartig die Lebensweiſe, die Gewohnheiten und Sitten der Fiſche zu ſein ſcheinen, ſo we<ſelvoll und verſchieden zeigt ſi ihr Treiben bei genauerer Beobachtung. Von unſeren Flußfiſchen haben wir erfahren, daß jeder einzelne mehr oder weniger eine beſtimmte Lebensweiſe führt; daß deren Verſchiedenartigkeit unter den Meerfiſchen noh erheblicher ſein muß, läßt ſi<h annehmen, ſo wenig wir auch über ſie, von deren Thun und Treiben, ſelbſt deren Lebensgewohnheiten wir nur re<t wenig wiſſen, zu urteilen vermögen. Jeder einzelne Fiſh wendet ebenſogut wie jedes andere Tier die ihm gewordenen Begabungen ſeines Leibes in zwe>entſprehender Weiſe an, und es laſſen ſi, von dieſen Anlagen ausgehend, mehr oder weniger rihtige Schlüſſe auf die Lebensweiſe ziehen; damit aber gewinnen wir leider kein Bild der leßteren, dürfen ſomit nicht wagen, das uns wahrſcheinli<h Dünkende als Wahrheit auszugeben.

Im allgemeinen freilich iſt das Leben der Fiſche viel einfaher und eintöniger als das der Säugetiere und Vögel, der Kriechtiere und Lurche. Die Thätigkeit, welche die Ernährung

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. YIL 2