Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

18 Ein Bli> auf das Leben der Geſamtheit.

obgleih man erkennen muß, daß ſie zu beſtimmten Zeiten thätig ſind und andere der Nuhe widmen oder, ebenſo wie andere Wirbeltiere, jagen und [hlafen. Erſteres beanſprucht in der Regel mehr Zeit als leßteres: ſo lange der Fiſh umherſhwimmt, ſo lange jagt er auh; ſelbſt während ſeines Spielens oder der Thätigkeit die wir als Spiel auffaſſen, läßt er keine ihm ſich bietende Beute vorüberſ<hwimmen. Geſättigt oder ermüdet, gibt er ſich einer Ruhe hin, die offenbar dem Sthlafe höherer Wirbeltiere entſpricht und Schlafen genannt werden muß, in ſo verſciedenartiger Weiſe ſie au< geſchieht. Weitaus die meiſten Fiſche ſind Nacht-/ niht wenige aber entſchiedene Tagtiere. Jene beginnen erſt mit eintretender Dunkelheit ihre Thätigkeit und ruhen während des Tages entweder auf beſtimmten Pläzen, oft in Verſte>en, mit dem Bauche aufliegend, ſelbſt im Schlamme eingebettet und eingegraben oder frei im Waſſer treibend; dieſe verfahren umgekehrt. Die einen wie die anderen verharren ſtundenlang in der zum Schlafen gewählten Lage, laſſen ſi auh dur gewiſſe äußere Reize niht aus ihr vertreiben bekunden aber jedem a<tſamen Beobachter, daß ihr lidloſes Auge niemals aufhört, für die Außenwelt empfänglich zu ſein.

Faſt ſämtliche Fiſche ſind Raubtiere, faſt alle eifrige und tüchtige Räuber. Nicht wenige Arten verzehren allerdings auch Pflanzenſtoffe; kaum ein einziger aber ernährt ih ausſ<ließlih von ſolhen. Die ſ{<wächli<ſten Arten leſen kleine Weichtiere von Waſſerpflanzen ab oder wühlen allerlei Gewürin, ih will ſagen, die verſchiedenartigſten wirbelloſen Tiere, aus dem Schlamme hervor; ſtärkere ſammeln und pflü>en Schne>en und Muſcheln; alle übrigen rauben in des Wortes gewöhnlicher Bedeutung, wenn niht andere Fiſche, ſo doch bewegliche wirbelloſe Tiere. Sie üben das Recht des Stärkeren in ſeiner ganzen Nükſichtsloſigkeit: den Kleineren verſchlingt der Kleine, und dieſen wiederun DEr Größere; kein einziger Raubfiſch verſchont die eigne Brut. Viele Fiſche ſind gepañzert und ſo furhtbar bewehrt, daß es für den Herrn der Schöpfung gefährlih wird, ſi mit ihnen einzulaſſen: — und ſie werden doh gefreſſen! Den Panzer zermalmt, die Dornen, Zaden, Spitzen zerbriht und ſtumpft das Gebiß des Mächtigeren; den Mitteln zur Abwehr entſprechen die Werkzeuge zum Angriffe. Ein ewiges Räubertum ohne Gnade und Barmherzigkeit iſt das Leben der Fiſche, jeder einzelne Naubfiſh und Naubfiſche bilden weitaus den größten Tei! der Geſamtheit ein ebenſo freßgieriges wie frechdreiſtes Ge[höpf. Denn niht bloß der gewaltige Hai wird großen Tieren und au< dem Menſchen verderblih, auch ôwerghafte Fiſche gibt es, die das Leben des Erdenbeherrſchers gefährden, indem ſie verſuchen, ihm Feben auf Feten aus ſeinem Leibe zu reißen, und ihn entfleiſhen, wenn er ſih ihrer Gewalt nicht entziehen kann. Der ewige, endloſe Krieg in der Natur zeigt ſih am deutlichſten wird am erſichtlichſten im Waſſer, im Meere.

Erhebliche Änderung der Lebensweiſe des Fiſches ruft die Fortpflanzungszeit hervor, die auch ihn in überraſchender Weiſe erregt, den friedfertigen ſtreitluſtig, den trägen regſam, den räuberiſchen gleichgültig gegen verlodende Beute werden läßt, die ihn bewegt, Wanderungen zu unternehmen, vom Meere aus in die Flüſſe zu ſteigen oder ſich von den Flüſſen nach dem Meere zu begeben, die Elternliebe und den Bauſinn in ihm wed>t, alſo ſein ganzes Weſen gleihſam umgeſtaltet, ebenſo wie ſie ihn oft mit einem Hochzeitskleide begabt. JU den Gleicherländern kann noh ein anderer Wechſel der Lebensweiſe ſtattfinden: der Fiſch kann dort gezwungen werden, zeitweilig eine gleihſam unnatürliche Lebensweiſe zu führen, wie das winterſhlaf das Leben zu friſten, das ſonſt gefährdet ſein würde. Schon gegenwärtig kennt man eine niht unbedeutende Anzahl von Fiſchen, die wirklich Winterſchlaf halten / d. h. beim Vertro>nen ihrer Gewäſſer ſich in den Schlamm einwühlen, hier in eine gewiſſe Erſtarrung