Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, S. 455

Sechſte Ordnung. Die Haftkiefer (Plectognathi).

„Wer die göttliche Weisheit in der belebten Shöpfung mit menſ<hli<hen Zwe>mäßigreitsanſichten ermitteln will“ ſagt Giebel wahr und treffend, „findet bei der Betrachtung der Haftkiefer ſeine Forſhung völlig undurchdringlih. Dem Menſchen nüßen dieſe abſonderlichen Geſchöpfe durchaus nicht: ihr Fleiſh ſ{<hme> ſ{<le<t und foll von einigen zu gewiſſen Zeiten ſogar giftig ſein; im natürlihen Haushalte ſpielen ſie ebenfalls eine höchſt untergeordnete Rolle; denn ſie vertilgen weder große Mengen übermäßig wuchernder Tiere, noch dienen ſie anderen als wichtiges Nahrungsmittel; ihr Betragen iſt ebenſo abſonderlich wie ihre Geſtalt und ihre äußere Erſcheinung überhaupt. Es ſind wunderliche Fiſche, die eben nur dur ihre Abſonderlichkeiten unſere Aufmerkſamkeit feſſeln.“

Die Eigentümlichkeit der Haftkiefer in Geſtaltung und Weſen iſ ſo auffallend, daß De Cuvier ſi< veranlaßt fand, aus ihnen eine beſondere Ordnung zu bilden. Als wichtigſtes Merkmal der Geſamtheit gilt das kleine Maul, in deſſen Oberkinnlade die Knochen feſt und unbeweglih untereinander verwachſen ſind. Dieſes Merkmal iſt allerdings nicht allen Mitgliedern der Ordnung gemeinſam, und es kommt auch bei anderen Fiſchen eine ähnliche Verwachſung vor; allein die Haftkiefer zeichnen ſi< außerdem ſehr durch ihre Leibesbekleidung aus, die von der aller anderen Fiſche abweiht. Bei einzelnen iſt die Haut ganz na>t und glatt, bei anderen wird ſie von Rautenſchilden oder Stacheln bede>t, die weſentlih zum äußeren Gepräge dieſer Fiſche beitragen. Die Kiemende>el werden von der Haut überzogen und öffnen ſi< nur in einer engen, vor den Bruſtfloſſen gelegenen Spalte. Abſonderlih wie die Fiſche überhaupt iſt au<h das Gebiß. Es bewaffnen nämlich die Kiefer entweder ſtarke Zähne, oder ſie ſelbſt bilden jeder gleihſam nur einen einzigen Zahn, indem ſie unmittelbar mit Schmelz überzogen ſind. Auch die Befloſſung weiht von der anderer Fiſche ab: die ſenkre<ten Floſſen ſind ſtets vorhanden, Shwanz- und Bruſtfloſſen ebenfalls entwidelt; die Bauchfloſſen dagegen fehlen regelmäßig. Bei einer Unterſuchung des inneren Baues findet man, daß die Rippen bis auf kleine Spuren verkümmert ſind, die Knochen erſt ſpät erhärten, der weite Darmſchlauch keine Blinddärme hat, der Magen oft einen weit ausdehnbaren Vormagen beſitzt, der aufgebläht werden kann, eine anſehnlihe Shwimmblaſe meiſt vorhanden iſt 2c.

Alle Haſftkieſfer gehören den warmen Gewäſſern an und verirren ſih ſelten in den nördlichen oder ſüdlichen Teil der beiden gemäßigten Gürtel. Sie leben im Meere; doch gibt es unter ihnen einzelne, die von hier aus in den Flüſſen emporſteigen, ja möglicherweiſe in dieſen den größten Teil ihres Lebens verbringen. Jhre Bewegungen im Waſſer weichen von denen anderer Fiſche weſentlih ab, weil ſie eben mit der ſonderbaren Geſtalt