Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4

26 Ein Bli> auf das Leben der Geſamtheit.

Vaterlande ſo lange niht erkannt daß man die unendlichen Schäte des Meeres bis in die neuere Zeit kaum gehoben hat, iſt au< dann unbegreiflih, wenn man die vielköpfige Herrſchaft, worunter wir gelitten haben, als Entſchuldigungsgrund anführen will. Denn nicht die Staatsgewalt iſt es, die Fiſchereien ins Leben ruft, regelt und ordnet, ſondern der Unternehmungsgeiſt der einzelnen: in allen Ländern, wo die Fiſcherei blüht, thut der Staat nichts weiter, als daß er ſie hüt.

„Der Ungunſt der natürlichen Verhältniſſe der politiſchen und wirtſchaftlihen Zerſplitterung und Geteiltheit, dem geringen Jntereſſe in der Nation für die Seegewerbe überhaupt und manten anderen Umſtänden“ ſagt M. Lindeman 1890, „war es zuzuſchreiben, wenn in früherer Zeit und bis zum Jahre 1866 die deutſhe Seefiſcherei in ihrer Entwi>elung im Vergleiche zu anderen maritimen Nationen erheblich zurü>geblieben war. Zwar gab es eine Zeit, da der Walfang der Hamburger in den nordiſchen Meeren bedeutender war als der von England und Schottland, und daß es in Deutſchland früher an ſeegewohnten Mannſchaften nicht fehlte, zeigt die Thatſache, daß noch im vorigen Fahrhundert Znſelfrieſen in großer Zahl alljährlich auf engliſchen und holländiſchen Walfängern Dienſte nahmen. Allein die Zufuhr des als Nahrungsmittel wichtigſten Seefiſches, des Herings, wurde mehr und mehr Sache der Fremden, der Holländer und ſpäter der dur die Annäherung der großen ſommerlichen Fiſhzüge an ihre Küſten begünſtigten Schotten. Die von der preußiſchen Regierung im vorigen Jahrhundert in hohem Maße geförderten Verſuche, von Emden aus eine Großfiſcherei in der Nordſee auf Hering zu kräftiger Entwi>kelung zu bringen, mußten der Mitbewerbung der dur< kaufmänniſche und te<hniſche Erfahrung wie dur< größere Mittel bevorzugten Holländer weihen. Der Fang der ſonſtigen eßbaren Seefiſche dur< mannigfaltige Geräte in der Nähe der Küſten war an der langgeſtre>ten haff: und buchtenreichen deutſchen Oſtſeeküſte verhältnismäßig ergiebiger als an den deutſchen Geſtaden der Nordſee, wo nur von alters her hauptſächlih Norderneyer zuzeiten den Walfang in althergebrahter Weiſe als Küſtenfiſcherei betrieben und im übrigen nur die Mündungsgebiete der großen Ströme Elbe, Weſer, Ems dem ſogenannten Friſchfiſchfange in Maſſe an der Küſte ein geeignetes Feld boten. Die Hochſeefiſcherei, und au< nur in beſhränktem Sinne ſo verſtanden, wurde allein von den Finkenwärder und Blankeneſer Ewern betrieben.

„Soweit der Fiſch ſi< niht zum Näuchern oder Salzen eignete, blieb der Verbrauch der Seefiſcher-Erzeugniſſe auf die Küſtengegenden beſchränkt, denn bei dem [<werfälligen, langſamen Verſande landeinwärts unterlag die Ware dem Verderb. Erſt die in den vierziger Jahren in England erfolgte Einführung des großen Baumſchleppneßes, der ſhon früher auswärts begonnene Vertrieb der Fiſhware in Eis auf den in immer größerer Zahl und Ausdehnung angelegten Eiſenbahnen, zulegt die Einführung der Fiſhdampfer ſchaffte den Friſchfiſhfang als Großgewerbe, änderte ſomit die Verhältniſſe auh für die deutſche Nordſeefiſcherei, die jedoh anfänglih nur langſam von den gebotenen Vorteilen Gebrauch machen konnte, da Betriebsmittel niht ſofort in erwünſhtem Umfange zur Verfügung ſtanden, die erſten größeren Fiſcherei-Unternehmungen in Bremen und Hamburg dur allerlei widrige Umſtände zu Grunde gegangen waren und die Bevölkerung des deutſchen Binnenlandes erſt allmählih Geſchma> an der Speiſe friſhen Seefiſches gewann. Das Hauptabſaßfeld, die volkreichen Städte, liegen in Deutſchland zum großen Teile weitab von der Küſte, die Zufuhr wurde dadurh erſhwert und verteuert, die Bildung großer Fiſchmärkte zurückgehalten. Lange ſhon waren in Deutſchland die patriotiſchen, für das deutſche Volkswohl ſtrebenden Kreiſe ſi<h bewußt, daß unſere Seefiſcherei als ein für die Volksernährung wichtiges für die Küſtenbevölkerung lohnendes und auch für die mari time Wehrhaftigkeit bedeutſames Gewerbe wieder gehoben werden müſſe. Der friſche,