Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, S. 802

720 Zweite Dronung: Webſpinnen; fünfte Familie: Krabbenſpinnen.

ſi ſelbſt dur<h Berührung nicht wegtreiben läßt. Die Entwi>kelung der Jungen ſcheint ſehr ungleihmäßig von ſtatten zu gehen. Fm Herbſt ſieht man ſie in verſchiedenen Größen und unter denjenigen, welche an Fäden die Luft durhſchiffen.

Die Erſcheinung der Herbſtfäden, des fliegenden Sommers, der Marienfäden (fils de la Vierge), ift längſt bekannt, aber vielfach falſ< beurteilt worden. Tauſend und abermals tauſend Fäden glänzen in der herbſtlihen Sonne wie Silber und Edelſteine über den Stoppelfeldern und Wieſen, in Gebüſ<h und He>en, hängen als lange Fahnen an Bäumen und anderen hervorragenden Gegenſtänden, und ziehen in weißen Flo>den dur< die unbewegte Luft, ſi<h ſcharf gegen den tiefblauen Himmel abgrenzend. Nur beſonders \<öne Witterung bringt dieſe Erſcheinung mit ſih, und iſt ſie einmal eingetreten, ſo darf > man mit ziemlicher Gewißheit auf Dauer der erſteren rehnen. Darum hat man dieſe Anzeigen einiger im vorgerü>ten Alter des Jahres erſcheinenden, in gewiſſer Hinſicht den Sommer an Anmut übertreffenden Tage niht unpaſſend und ohne anzüglih ſein zu wollen au „Altenweiberſommer“ genannt. Daß jene Fäden von Spinnen herrühren, weiß jedes Kind, und niemand wird ſie mehr für Ausdünſtungen von Pflanzen halten, wie in vergangenen, weniger aufgeklärten Zeiten geſchehen iſt. Wie aber kommt es, wird man mit Recht fragen, daß gerade zu dieſer ſpäten Fahreszeit die Spinnen in ſo auffälliger Weiſe alles beſpinnen und warum niht früher, warum niht dann, wenn man in allen Winkeln, zwiſchen Gebüſ<h und Gras den verſchiedenartigen Spinnenweben begegnet? Dem aufmert ſamen Beobachter kann niht entgehen, daß jene Neſter ganz anderer Natur ſind als die Herbſtfäden. Jene, mögen ſie eine Form haben, welche ſie wollen, ſtammen von den als anſäſſig bezeichneten Spinnen und dienen als Fangneße für deren Nahrung. Die in Rede ſtehenden Herbſtfäden bezeihnen nur die Straße, welche das Heer der Spinnen und Spinnhen wanderte, und haben fteineswegs den Zwe>, Fnſekten zu fangen, weil die Verfertiger derſelben überhaupt nur umherſhweifen und keine Neſter bauen. Dieſe Spinnen fallen jezt erſt auf, weil ſie zu dieſer Zeit ſo weit herangewachſen ſind, um ſih mehr zu zerſtreuen und nun allmählih ihre Winterquartiere aufzuſuchen, und machen ſih nur bei ſ{<önem Wetter durch ihre Fäden bemerklih, weil keine der ganzen Ordnung bei ungünſtigem Wetter ſpinnt. War der Sommer für ihre Entwikelung beſonders geeignet, ſo werden ſie im Oktober, welcher immer noch einige warme und ſonnige Tage zu bringen pflegt, auch vorzugsweiſe auffallen, denn ſie ſind in größeren Mengen vorhanden als in anderen Fahren, deren Witterung ihr Gedeihen weniger förderte.

Wenn es mithin feſtſteht, daß die Herbſtfäden die Wege kennzeihnen, welche jene umherſ<weifenden Spinnen zurü>legen und zwar jeßt weniger, um Nahrung aufzuſuchen, als um ſih mehr zu vereinzeln, oder teilweiſe, um die feuhteren Aufenthaltsorte mit höher gelegenen und tro>eneren für den Winteraufenthalt zu vertauſchen, ſo kann man auh noh einen Schritt weiter gehen und dieſen Tieren oder einigen Arten von ihnen den bei manten Kerfen bereits kennen gelernten Wandertrieb zuſprehen. Als Raubtiere können ſie um ſo weniger in gedrängten Scharen bei einander bleiben, wie ihre anſäſſigen Schweſtern, die Nad-, Trichter-, Nöhrenſpinnen und wie die Neſterbauer noh alle heißen mögen, welche doh immer eine Häuslichkeit haben, dur die ſie an einen beſtimmten Ort gebunden ſind. Da den Spinnen aber die Flügel der wandernden FJnſekten fehlen, die Reiſe zu Fuß wenig fördern würde, ſo benugen ſie in ſehr ſinnreicher Weiſe ihre Fäden, um mit dieſen dur die Luft zu ſegeln. Wie aber fangen ſie das an? Man ſchenke ihnen nur einige Auf: merkſamkeit und man wird bald ihre Schlauheit dur<hſhauen. Alle die Erde überragenden Gegenſtände, Prellſteine an den Straßen, Pſähle, die ſich leicht überſehen laſſen, aber auh Zweigſpißen von Buſchwerk und Bäumen wimmeln zur Zeit der Herbſtſäden von ver-

ſchiedenen Spinnen, welche den ſih herumtreibenden Arten angehören und noch nicht völlig