Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6
200 Würmer. Sechſte Klaſſe: Plattwürmer; dritte Drdnung: Strudelwürmer,
Erſte Unterordnung. Die Sc<hnuxwürmer (Nemertini).
Wenden wir uns nun zu dieſen Shnurwürmern (Nemertini). Sie haben alle einen auffallend geſtre>ten, faſt nie ganz flachen, ſondern nur an der Bauchſeite etwas abgeplatteten Körper. Auf dem Vorderrande tragen ſie gewöhnlich zwei Haufen von Augen. Am Kopfende, gewöhnlich an der Unterſeite, befinden ſih zwei Öffnungen; die eine führt in den Darmkanal, die andere, obere, in eine Höhle, in welcher ein ſehr eigentümliher Rüſſel verborgen liegt. Derſelbe kann nämlih mit großer Schnelligkeit und überraſchend weit, oft auf die Länge von zwei Dritteilen des ganzen Tieres, hervorgeſtoßen werden und wird als ein Angriffsorgan benußt. Bei einer Anzahl von Gattungen (der Abteilung Enopla) tritt bei der Ausſtülpung des Nüſſels eine Kalkſpiße hervor. Ein ſorgſamer Beobachter dieſer Tiere, Max Schulze, ſah wiederholt, wie das kleine, in der Oſtſee vorkommende, übrigens lebendig gebärende Tetrastemma obscurum, über 2 mm lang, ſeinen Rüſſel (Abbildung S. 199), mit Bligzesſchnelle bis an das Stilett hervorſtieß und damit in die Nähe kommende Tiere, z. B. Flohkrebſe, verwundete. „Ft das zu ergreifende Tier angeſpießt, ſo wird der Rüſſel allmählih wieder zurü>gebracht, ohne jedoch ſeine Beute loszulaſſen, und nun kriecht die ganze Nemertine durch die vermittelſt des Rüſſels gemachte Öffnung in das verwundete Tier hinein, um dasſelbe auszufreſſen. Von Kruſtaceen bleibt nur das hohle Chitinſfelett zurü>. Nicht ſelten verſammeln ſi< um ein ſo geſpießtes größeres Tier mehrere Nemertinen, welhe von verſchiedenen Seiten ihren Angriff mit dem Nüſſel ausführen und ſi< dann in die Beute teilen. Sehr geſchi>t wiſſen ſie zur Einbohrung des Stiletts die weichere Bauchſeite des Tieres zu wählen.“ Wir ſehen in der nebenſtehenden Abbildung, wie über dem mittleren, auf einer Art von Handgriff befeſtigten Stilett jederſeits im Jnneren der Ovale mehrere dergleichen angelförmige Spißen unregelmäßig durcheinanderliegen. Mit dieſen iſt der Shnurwurm, wie ein vorſichtiger Bogenſhüge, zur Reſerve ausgerüſtet. Sie werden nah und nah verbraucht. Es iſt jedo< niht beobachtet, wie ſie an die Stelle der Hauptſpiße treten.
Wir benugen dieſelbe Abbildung, um noh auf einige wichtige Organiſationsverhältniſſe aufmerkſam zu machen. Die beiden, im Kopfende gelegenen, dur<h eine Querbrüce verbundenen Anſchwellungen mit den beiden von ihnen abgehenden und den Körper in ſeiner ganzen Länge durchziehenden Strängen ſind das- Nervenſyſtem, das na<h Form und Lage das Urbild des Nervenſyſtems der Gliederwürmer und höheren Gliedertiere iſt. Die geſ<hlängelten Organe ſind die ſogenannten Waſſergeſäße, welche, mit beſtimmten Mündungen beginnend, den Körper der Plattwürmer durchziehen und eine beſondere
BVierauge (Tetrastemma obscurum). Vergrößert-