Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, S. 276
236 Muſchellinge. Zweite Klaſſe: Armfüßer.
verbunden mit dem Vorkommen der Gattung in den älteſten Muſchelwürmer ſührenden Schichten, ließe ſi vielleicht ſchließen, daß ſie den wurmartigen Vorfahren noh am nächſten ſtehen. Wix müſſen aber dabei eine unberechenbare Zeit vorausſeßen, während welcher die Umwandlung, von der uns die Entwickelung der heutigen Formen Zeugnis gibt, vor ſih ging. Wir haben wohl gerade darin, daß dieſe Umwandlung ſchon in den entlegenſten Urzeiten ſtattfand und erſt na< Erlangung einer kaum extremer zu denkenden Rückbildung ſtill ſtand, die Schlüſſel zu ſuchen zu dex ſeitherigen faſt beiſpielloſen Beſtändigkeit der Klaſſe innerhalb ihrer Grenzen. Damit iſt der Artveränderung ohne Erwerbung weſentlicher neuer Organe aller mögliche Spielraum gelaſſen, wie Kayſers Studien gezeigt haben und neue hierauf gerihtete Beobachtungen beſtätigen werden.
Den Muſchelſammlern und Muſeumszoologen galten die Schalen der meiſten Brachiopoden noh vor verhältnismäßig kurzer Zeit als Seltenheiten erſten Ranges und wurden teuer von ihnen bezahlt. Man ging von der Anſicht aus, daß wenigſtens die Terebrateln ganz beſonders echte Tieſſeetiere ſeien, denn man kannte ſie nur aus Tiefen, in welche man damals die äußerſte Grenze der Möglichkeit tieriſhen Lebens verlegte.
Die modernen Tiefſee-Expeditionen haben uns eines Beſſeren belehrt und uns gezeigt, daß die Terebrateln E zwar lokaliſiert in ihrem Vorkommen ſind, aber dort, wo Natürliche Größe. ſie einmal vorkommen, in bedeutenden Mengen vergeſell-
ſchaftet aufzutreten pflegen, wie es auh in der Vorwelt, z. B. in den Meeren des Muſchelkalkes, geweſen iſt. Zweitens aber wiſſen wir nah den neueren Forſchungen, daß die Brachiopoden gerade keinen hervorragenden Beſtandteil der Tiefſeetierwelt ausmachen. So kommen .von der Strandlinie bis zu 900 m Tiefe 98 Arten Brachiopoden vor, aber zwiſchen 900 und 1800 nur no<h 16 und zwiſchen 3600 und 5800 m, wo ſie die größte Tiefe ihres Vorkommens erreichen, nur no< 3. Und dieſe vertikale Verbreitung, die den früheren vorgefaßten Meinungen ſo gar wenig entſpricht, iſt ſehr erklärlih, wenn wir die Organiſation der Armfüßer und die Verhältniſſe der Tieſſee erwägen. Die Brachiopoden ſind, wie wir ſahen, feſtſizende Tiere und bedürfen im all: gemeinen eines felſigen Untergrundes, auf dem ſie ſih vor Anker legen und gedeihen können. Solcher Boden findet ſi< aber in bedeutenden Tiefen nur ſelten, meiſt iſt derſelbe vielmehr mit weihem Schlamm, ſei es kalfkigem grauen S<hli> oder eiſenſchüſſigem und kieſelhaltigem roten Thon, bede>t, hat folglih eine Beſchaffenheit, welche den Aufenthalt der Brachiopoden aus\<ließt.
Lingula pyramidata.