Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, S. 547
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Allgemeine Merkmale der Stachelhäuter. 499
geſüllten Schüſſel vor uns haben, läßt alsbald das feſſelnde Schauſpiel der Thätigkeit ſeiner Saugfüßchen ſehen. Aus den Rinnen, welche an der Unterſeite der Strahlen verlaufen, werden Hunderte von häutigen Hohlcylindern vorgeſtre>t, am Ende mit einer Saugſcheibe verſehen. Dieſe Scheibchen haften an dem nächſten beſten Gegenſtande, und wenn eine hinreihende Anzahl vorgeſtre> und geankert iſt, wird der Körper durch Zuſammenziehung der ausgedehnten Saugfüßchen langſam nachgezogen. Um die äußerſte Regſamkeit der Ambulacra eines Seeſternes zu ſehen, muß man ihn ganz friſh aus dem Waſſer nehmen und auf den Rü>en legen; dann geraten ſämtliche Füßchen in Thätigkeit, ſtre>en, re>en und biegen ſi< wie Würmer und taſten, ob ſie niht auf Haltepunkte ſtoßen, wo ſie ſih anlegen, und von wo aus ſie den bedrängten Nieſenkörper wieder in die natuxgemäße Lage wenden könnten. Die Seeſterne und Seeigel bewegen ſih mittels der FÜßhen auf der Fläche, in welcher ſih der Mund befindet, welche daher auh Mund- oder Ambulacral-, fälſchli<h au< Bauchfläche heißt. Die andere oberſeitliche Fläche nennt man die antambulacrale, oder bei regelmäßigen Formen, wo in ihr der After ſich befindet, Afterfläche und entſprechend der Bauchfläche gelegentli<h auh Nückenfläche. Das Aufrichten und Ausſtre>en der Füßchen geſchieht dadurch, daß von innen Waſſer in ſie gepreßt wird. Jedem äußeven Cylinderchen entſpriht ein inneres Bläschen, welches mit einem beſondern Zweige eines Waſſergefäßſyſtems in Verbindung ſteht. Dieſes Kanalſyſtem empfängt ſeinerſeits das friſche Waſſer dur beſtimmte Öffnungen oder labyrinthiſ<h und ſiebförmig durchbrochene Platten (Madvreporenplatten) und dient zugleih, uns an ähnliche Vorvihtungen der Strudelwürmer und anderer erinnernd, als Atmungsorgan. Die Wand der Saugfüßchen iſt reih mit Muskelfaſern verſehen, deren Zuſammenziehung die Verkürzung und den Nü>ktritt des Waſſers in das innere Bläschen bewirkt. Die Wandung der Hohlcylinder iſt mit Längsmuskelfaſern verſehen, während ihre Außenſeite aus Bindegewebe beſteht. Das freie Ende iſt öfters verbreitert bisweilen mit zierlichen Kalkeinlagerungen ausgeſtattet und mit einem muskelfreien Ningwulſt umgeben. Das Anheften der Seeſterne beſchreibt William Preyer folgendermaßen: „Beginnt A sterias, Echinaster, Lnuidia, Ophidiaster \ſih anzuheften, ſo werden zuerſt mehrere Pedicellen ſtark extendiert und ſhon während der Füllung derſelben mit Waſſer vom Waſſergefäß die Endplatte mit dem musfelfreien Ringwulſt gegen die Wand (eine Glasplatte eignet ſih am beſten zur Beobachtung) gedrü>t. Fett zieht ſich dur< Kontraktion der longitudinalen Muskelfaſern in der Wandung des Füßchens die Endplatte zurü>, während der überſtehende Nand luftdicht an der Wand haften bleibt, da er niht mit zurückgezogen wird, während die Platte wie ein Stempel in einer Spriße zurü>geht und der Waſſerdru> ſamt dem Luftdru von außen auf das Füßchen wirkt. Es entſteht alſo ein kleiner luftleerer, mit Waſſerdampf gefüllter Raum am Ende des Saugfüßchens; begrenzt iſt derſelbe durch die Glaswand (oder den feſten Körper, welchem der Seeſtern adhäriert), die dieſer parallele Endplatte oder Saugplatte und den dieſe umgebenden Rand. So feſt ſaugt ſih Asterias auf dieſe Weiſe an, daß man bei friſhen Exemplaren nicht ohne Zerreißung der Füßchen das Tier von der Haftflähe abnehmen kann, wenn man es niht vorher dur mechaniſche Reizung, dur verdünnte Säuren, warmes Waſſer oder elektriſche Schläge zur Entſpannung veranlaßt hat. Die leßtere kommt dadurh zu ſtande, daß das Waſſer im Waſſergefäß von innen gegen die Endplatte vorgeſtoßen wird, ſo daß der leere Raum verſchwindet und nun das Saugfüßchen, im Fnneren demſelben Dru>te ausgeſeßt wie von außen, niht mehr adhäriert.“
Die Tragkraft der Füßchen iſt eine ſehr bedeutende. Preyer berechnet, daß bei einem Asterias glacialis von 250 g Gewicht, der noh mit fünf Füßchen an jedem ſeiner fünf Strahlen haftet, 10 g auf jedes Füßchen kommen, „da aber auh zwei Füßchen den Körper eben no tragen können, ſo kommen 20 g auf jedes“.
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