Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, S. 546
498 Stachelhäuter.
zu vermuten. Es konnte ſehr wohl innerhalb zweier Tierſtämme ein derartiges Drganiſationsverhältnis ſelbſtändig und unabhängig erworben werden, wobei freilih zugegeben werden muß, daß es, wie wir aus entwi>elungsgeſchichtlichen Thatſachen entnehmen können, höchſt wahrſcheinlih iſt, daß die Vorfahren ſowohl der Hohltiere als der Stachelhäuter bilateral-ſymmetriſche Geſchöpfe geweſen ſind. Die bilaterale Symmetrie, welche uns ſowohl bei Quallen und Polypen als bei Seeſternen und Seewalzen in erwahſenem Zuſtande entgegentritt, hat mit jener alten urſprünglichen nichts zu thun, ſie iſt eine neue Errungenſchaft, das Reſultat einer ſekundären Anpaſſung urſprünglich ſtrahliger Formen.
Bei den Hohltieren iſ die Zahl der Antimeren, welche ſi< um die Polachſe anordnen, normalerweiſe 4 oder 6 oder ein Mehrfaches dieſer beiden Zahlen, bei den Stachelhäutern iſt aber die typiſche Grundzahl 5. Teilen wir nun eine Antimere eines Hohltieres genau in eine rete Hälfte und verlängern die halbierende Schnittfläche über die Mittelachſe hinaus, ſo werden wir finden, daß wir dur< ihre Fortführung die gegenüberliegende Antimere gleichfalls teilen; das verhält ſi<h bei den Stachelhäutern anders. Nehmen wir an, wir hätten die charafkteriſtiſhſte Form, einen Seeſtern, vor uns und halbierten au< eine der fünf Antimeren, die hier Radius oder Strahl heißen, ſo würden wir ſehen, daß der Schnitt, wenn wir ihn über die Polachſe verlängerten, niht wieder einen Strahl, ſondern den Zwiſchenraum zwiſchen zwei Strahlen oder einen Zwiſchenſtrahl (Fnterradius) teilen würde. Auch würden wir bei Seeſternen und Seeigeln, ſie mögen ſonſt ſo regulär gebaut ſein wie ſie wollen, einige weitere Unregelmäßigkeiten im äußeren Bau bemerken, Wäre derſelbe ganz ſtreng regelmäßig, dann müßten in der Einzahl vorhandene Organe genau zentral liegen, wie es der Mund bei den ganz regulären Formen auch thut, mit Dem After aber und mit der ſpäter näher zu erwähnenden Madreporenplatte iſt das niht der Fall, ſie liegen beide dezentral.
Die Geſtalt der Ehinodermen oder Stachelhäuter iſt ſehr mannigfach: ſternförmig, oft mit ſehr langen Strahlen oder fünfe>ig mit geraden Seiten, kugelig bis kegelförmig einer- und platt kuchenförmig anderſeits; manche Formen ſind von eleganter Herzform, andere häßli<h wurmartig verlängert, und die Formen einer Klaſſe ſigen zeitlebens oder doh in der Jugend mittels eines Stieles auf Steinen, im Sande oder an anderen Gegenſtänden feſtgeheſtet.
Den Namen Echinodermen verdanken unſere Tiere dem Danziger Arzt und Gegner Linnés, Jakob Theodor Klein, und er paßt auf die Seeigel, allenfalls no< auf eine Reihe von Seeſternen, aber niht auf die Seewalzen, Sthlangenſterne und Haarſterne, welche nichts weniger als ſtahlig ſind. Kalkgebilde finden ſih zwar in der Haut aller Stachelhäuter, aber in außerordentlih verſchiedenem Umfang, bisweilen nur als mifro\ſfopiſh kleine Einlagerungen, während ſie in anderen Fällen große, ziemlih di>wandige und faſt allſeitig geſchloſſene Kapſeln bilden. Jn keinem Falle haben wir es jedoch bei den Echinodermen mit ſol<hen Gehäuſen zu thun, welche als Ausſcheidungen ſi< mit den Muſchelſchalen und S<hne>kenhäuſern vergleichen ließen, vielmehr ſind es immer wahre Verkalkungen der Haut ſelbſt.
Alle Stachelhäuter haben einen geſ<loſſenen Darmkanal, ein wihtiges Mert mal, welches ſie von den übrigen Strahltieren, den heute ſogenannten Coelenteraten, trennt, und eine bei den Seeigeln ſehr geräumige Leibeshöhle. Hiermit verbindet ſih ein weit mehr in die Augen fallendes Merkmal, die Saugfüßchen oder Pedicellen, deren regelmäßige Reihen Ambulacra genannt werden. An getro>neten Exemplaren irgend wel{her in den Sammlungen aufbewahrter Stachelhäuter kann man ſi über dieſe eigentümlichen Organe nicht unterrihten; auh Spirituspräparate geben nur eine ſehr unvollſtändige Vorſtellung. Aber ein lebendiger Seeſtern, den wir zur Beobachtung in einex mit Waſſer