Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, S. 598

546 Hohltiere. Erſter Unterkreis: Rippenquallen.

Die Rippenquallen ernähren ſi<h von ſämtlichen kleineren pelagiſhen Tieren, beſonders aber von Krebschen. Chun iſt der Meinung, daß unverſehrte Jndividuen das ganze Leben hindur< wa<ſen. Da nun ihrem Daſein weſentli<h dur<h Stürme ein Ende gemacht wird, ſo wird man die größten Exemplare in ſolhen Gewäſſern finden, die gegen ſtarken Einfluß der Winde geſhüßt ſind. Die Tiere finden ſih zwar das ganze Fahr, doch find ſie während der Frühlingsmonate am häufigſten, werden gegen den Sommer ſeltener und ſeltener, ja, manche Arten, wie der von uns (\. die beigegebene Tafel, Fig. 3) verkleinert abgebildete Venusgürtel, verſhwinden faſt völlig, aber bei dem Beginn des Herbſtes zeigt ſih wieder regeres Leben, und beſonders Cestus und Peroë erſcheinen in Shwärmen. Chun hegt die ſehr plauſibele und dur< andere bei anderen Tieren beobachtete That: ſachen ſtark geſtüßte Vermutung, „daß nah einer Frühjahrsperiode reger Fruchtbarkeit die Larven bei Beginn der heißen Monate in die Tiefe wandern, zu ausgebildeten Tieren heranwachſen und bei Beginn des Herbſtes in Maſſe aufſteigen.“

Die Ctenophoren ſind Zwitter, und von manchen Arten triſt man das ganze Fahr hin: durch geſchlehtsreife Jndividuen, von anderen bloß im Sommer oder im Frühjahr oder im Winter. Die Jungen durchlaufen eine Verwandlung, ſie haben Larvenſtadien durch: zumachen, bevor ſie ihre definitive Geſtalt erlangen. Jntereſſant iſt die Thatſache, daß bei einer Art (Eucharis multicornis), ſoviel wir wiſſen, au<h geſhle<tsreiſe Larven auftreten, welche ſih in dieſem Zuſtande fortpflanzen, dann völlig auswachſen und noh einmal fortpflanzungsfähig werden, — eine Art der Vermehrung, welche Chun als „Diſſogonie“ bezeichnet.

Die’ intereſſanteſten, wenn auh niht \{hönſten Formen der Ctenophoren ſind die Mügßenquallen (PBeroë), von Geſtalt etwa einer perſiſhen Müße, mit ovalem Querſchnitt, ſehr weitem Maul und ohne Senkfäden, folglich au ohne Klebzellen. Die Farbe der bis 20 cm groß werdenden Tiere iſt ein zartes Roſa und erſcheint dadurch, daß ſeitliche Fortſäge der aht Hauptkanäle das Gallertgewebe, Maſchen bildend, durWſeßen, wie marmoriert. Die von uns auf der Tafel (Fig. 1) abgebildete Beroë Forskäli bewohnt das Mittelmeer.

Die Mügenquallen ſind gefräßige Räuber. Chun erzählt von ihnen in dieſer Be-

“ziehung: „Begnügen ſi faſt alle Rippenquallen mit kleineren Geſchöpfen, ſo repräſentieren die Beroën hingegen gefräßige Räuber, und das um ſo mehr, als es gerade ihresgleichen ſind, von denen ſie ſih ernähren. Bereits Will (ein Zoolog, der vor faſt 50 Jahren dieſe Tiere unterſuchte) wußte, daß die Lieblingsſpeiſe dieſer gewandteſten und (wenn ih mi ſo ausdrücten darf) pſy<iſ<h am höchſten ſtehenden Rippenquallen die Lobaten (z. B. Bolina hydafina aus dem Mittelmeer, \. Tafel, Fig. 2) iſt, obwohl ſie auch keine der übrigen Arten verſchonen. — Ganz gewaltige Biſſen vermag eine Beroë zu bewältigen. So hatte ich einmal eine der größten Bucharis in ein geräumiges Baſſin geſeßt, um eine Skizze entwerfen zu können. Jh achtete niht eher auf eine halb ſo große Beroë F'orsKâlii, die ſhon längere Zeit gehungert hatte, als bis dieſelbe, offenbar von ihrem Geru<hsvermögen geleitet, in großen Kreiſen mit weit geöffnetem Maule umherzuſ<hwimmen begann. In der Nähe der Eucharis angelangt, hoß ſie mit gewandter Wendung auf dieſelbe los, faßte ſie mit ihrem breiten Maule und begann das lebhaft mit den Shwimmplatten ſchlagende wehrloſe Tier hinabzuwürgen. Jh rief mehrere der zufällig anweſenden Herren herbei, die es alle für kaum möglich hielten, daß ſol< ein voluminöſer Biſſen bewältigt werden könnte; doh nah kaum einer Viertelſtunde hatte ſih die Beroë vollſtändig über die Encharis weggezogen und lag, zu einem Ballon aufgedunſen, verdguend am Boden.“

Die Cydippen haben eine kugelige bis walzige Geſtalt und ihre Rippen ſind glei artig entwi>elt. Außerdem beſizen ſie zwei einander gegenüberſtehende Senkfäden. Die auf unſerer Tafel dargeſtellte Art (Fig. 4) iſt Hormiphora plumosa aus dem Mittelmeer.

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