Charakterologie
232 Die pjychoanalytiihe Charafterlehre
Dabei wird aber dieje magijhe Derbundenheit mit dem Seelen-All feineswegs als der unbedingt tiefere Standpunkt verherrliht — wie es romantijcy rüdgewandter Dentweije naheläge —, jondern es madıt den großen Wert der Reifung aus, daß fich der Einzelne wirklich individuiert und einen in fich zentrierten und relativ gejclojjenen Kreislauf des Seelijchen ausbildet.
Weltanjhaulic ijt damit der Materialismus (und der Pejjimismus) Steuds überwunden. Das Individuum ruht mit jeiner hohen Entwidlungsitufe auf den Urtrieben der Hatur, auf den Grunögeitalten der Libido. Es trägt fie — wie bei Sreud — als archaijches Gut in fidy und muß die Span= nung 3wilhen bewußter Individualität und überindiviöueller Schicht tändig neu zur Harmonie bringen. Aber es ruht in diejer Spannung. Das Individuum ift nicht, wie bei Steud, ein an fid) finnlojfer Umweg der Natur zurüd zum Anorganijchen, jondern eine Bereicherung, Manifejtierung, Der= wirflihung überindividueller Naturprinzipien.
Die Analyje Jungs führt darum bei unharmonijchen Charafteren zulett an die Wurzeln der mythilchen Symbole. Seruelle Bindungen aller Art Ipielen dabei aud) eine große Rolle, aber nicht die einzige und nicht immer die wejentliche. Sie find nicht das Lekte, jondern nur Erjcheinungsformen jener tiefer fiegenden mythijchen Gegenjäße. Bei Steud zeigten die Symbole alle abwärts. Das „Höhere“ wurde zur bloßen Sajjade. (Prinzip des „eigentlich weiter nichts als“ ....) Sür die Schule Jungs geht es weiter. Es fann jo jagt 3. B. Heyer — jehr wohl aud) ein jerueller Traum nod) wieder eine tiefe jymbolijhe Bedeutung für Nicht-Seruelles haben. So farın jih in einem joldhen Traumbild unter Umjtänden nur der Wunich nad) größter Nähe, innigjtem Zujammenjein ausdrüden. Der Serus fann aljo deutlic) den Charakter bildlihen Ausdruds von etwas nody tiefer Liegendem haben: das z3eugende Prinzip der Hatur liegt tiefer als die individuelle jeruelle Strebung, die nur eine jeiner Erjcheinungsformen ijt. Damit ilt das einzelne fonfrete Leben wieder als trächtig von welthaften Llr= pannungen angejehen, deren tiefite uns noch fahbare Erjcheinung eben der Mythos ilt.
Die Beziehung zur Pjychoanalyje ijt tar (vgl. dazu etwa Heyers Würdigung Steuds in feinem „Organismus der Seele“t). Man wird aber Jung und feiner Schule ein großes Derdienjt zujprechen müjjen: die wertvollen Erfenntnifje der Piychoanalyje aus der einjeitigen weltanjchaulicyen Deranferung losgelöjt zu haben. Das ijt mehr als eine andersartige philo-
1) München 1932. S. 99.