Charakterologie
280 Die Ausödrudslehre
veritehen wollen, jo nahe liegt es uns, das Auge immer als Blid aufzu= fajjen.
Auf der zweiten Stufe diefer Reihenfolge ijt der Ausdrud aud) noch jo itarf, daß er gleichfalls nod} zuerjt in den Blid fommt, daß der dingliche Stoff ebenfalls erjt in ausdrüdlicher Umftellung der aufnehmenden Afte deutlich wird, — daß dann aber die Trennung von Ding und Ausdrud leichter ijt als beim eriten Beijpiel. Die menjchlie Stimme gehört hierher. Auch bei ihr ijt es die Regel, daß wir das Sprechen nicht als mufifalijches Klanggebilde hören. Wir hören vielmehr urjprüngli den Inhalt des Sprediens und mit ihm innig verbunden den Iprehenden Menjcen. Wenn wir 3. B. die Worte nicht verjtehen (etwa, wenn im Hebenzimmer gejprochen wird), jo hören wir doch immer, ob der Sprechende gereist, zornig, gütig, tlagend, verzweifelt, ob er frijch und angeregt oder müde und mißmutig ijt. Um die Stimme an fich, das afuftiiche Phänomen zu hören, müfjen wir uns gleichfalls umitellen.
Jet folgen die Ausdrudsbewegungen. Genau genommen find natürlid) aud) Blid und Rede Ausdrudsbewegungen. Wir meinen jest, was wir alltäglid) darunter veritehen: aljo die Bewegung der Glieder im Gehen und jonjtigem förperlihem Tun. Neben dem Gang, dejjen Aus= drudscharafter von H.Bogen und ®. Sipmann bearbeitet wurde!), jind hier vor allem diejenigen Bewegungen wichtig, die unmwillfürlih, oder richtiger mit einem Willen gejchehen, der fi) nur auf die Aufgabe, auf das Ziel der Bewegung, nicht auf fie jelbjt wendet, aljo vor allem die Hhandjchrift. Dieje haben wir als eine firterte Projektion des hochtompli= zierten, dabei beteiligten Bewegungsapparates anzujehen, die vor allem aud) deswegen eine jo verdichtete Ausdruds-Aufeichnung darjtellt, weil der Aft des Schreibens pjychiich eine innige Miihung von nahezu allen jeelijchen Seiten zur Grundlage hat. Willentlihes und Gedanklihes jind beim Schreiben gleichermaßen beteiligt. Es ijt ein Sih-Ausjprehen und ein deutliches Jemanden-An-Sprehen. Die Budjtaben zu jchreiben iit Gewohnheit geworden, — d.h. Störungen aus technijcher Unvollfommenheit jpielen eine geringe Rolle. Zugleich ift aber eine äußerjt mannigfaltige Aufgabe geitellt: die Schrift joll deutlich fein, fie joll jhön fein oder doch) zumindeit nicht unjchön. Im einzelnen ijt vieles zu beachten, was verIhiedenjte innere und äußere Leijtungen erfordert: Gewilje Striche, die man gern in halber Höhe abbiegt, follen eraft auf die Grundlinie hinuntergeführt werden, Schleifen wollen als echte Schleifen ausgeführt jein,
1) Siehe Literaturverzeihnis (S. 276, Gruppe 3).