Charakterologie

292 Zufammenfajjung und Abjehlug

Stufenfolge von Pjychologen und Gharafterologen: von den einjeitig diagnoitiich eingeitellten Graphologen über die Piychoanalytifer minderen Ranges, die nichts jo jehr freut, als wenn fie „Lbiöinöfe” Hintergründe an jcheinbar harmlojen Dingen aufzeigen fönnen, bis zu den „Altlocd}gudern“, die eine Derjuchsperjon in eine Zelle jegen, ihr anjtöige Bilder zeigen, um unjichtbar ihr Derhalten zu regijtrieren. Sajt immer geht dabei wiljenjchaftliche Armjeligfeit im ganzen Anja mit menjhlid unjym= pathiicher Haltung Hand in Hand. Das Ziel ijt wijjenihaftlih: jo einzeln wie möglich, aus elementenhaften Merfmalen, das „Charafterbild“ zujammenzufegen, — ein wiljenjhaftlid” unmöglihes Unternehmen, das von einem erjchredend materialiftiihen Denfmodell und größter Ehrfurdhtslofigfeit zeugt. Das alles ift aljo Entlarvungspiychologie. Wer die Methoden der Charafterologie unergiebig findet in Hinjicht auf dies Ziel, dejfen Geringjhäßung der charafterologijhen Wiljenihaft wird jedem wertvollen Sorjcher nur ein Zeichen fein, daß er auf dem rechten Wege ift. Anftändigfeit ift nämlich, jo jonderbar das flingen mag, vom Wahrheitstrieb nicht zu trennen.

Weit wichtiger find nun die Zweifel zu nehmen, die über mangelnde Anwendbarkeit der charakterologiihen Erfenntnijje auf reale Menjhen der Befanntichaft oder auf fic) jelbit Hagen. Die Charakterologie joll die Realität treffen. Das zu fordern ijt gutes Recht. Aber die Anjprüche dürfen nicht ins Unmögliche gehen.

hier muß vor allem wieder darauf hingewiejen werden, dab die Erfajfung des Individuellen vom Allgemeinen her in der Charaiterologie legten Endes unbefriedigend bleiben muß. Der nicht erfaßte „Rejt” ent= hält gerade das wejentlid; Individuelle, auf das es uns um jo mehr an= fommt, je mehr wir den inneren Perjonwert und nicht die Struftur feiner Handlungen erfennen wollen. Am unbeftiedigenditen aljo muß die Cha= tafterologie naturgemäß in der Anwendung auf die eigene Perjon jein. Mit Recht wird jeder Menjch es ablehnen, in jeiner lesten wejentlichen Struftur von irgendeinem Syjtem her getroffen zu werden — einfach weil er Individuum ijt mit einer Welt von Einmaligem, alle Syiteme aber Allgemeines zu geben tradıten. Hier ijt aljo der in jic widerjinnige Ans ipruch abzuwehren, jich als Individuum in ein Schema des Allgemeinen überzeugend eingegliedert zu jehen. Das Geheimnis des Einzelmenjchen ift nicht ein vom Scheinwerferlicht der Wiljenjchaft noch nicht erreichter dunkler Teil, der in feinem Sein genau jo wäre wie der beleuchtete, nur daß er eben leider „im Dunfel“ läge. Das Geheimnis des Menjchen ilt nicht ein an fich geheimnislojes Etwas, das nur noch nicht erfannt ift,