Das Autoritäts = Prinzip und die Revolution von 1789

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Da dieſe Entwicklung ihrer Matur nach keine einſeitig nationale, ſondern eine allgemein europäiſche iſt, ſo Iäßt ſie ſich nur auf dem Wege vergleichender Litteratur betrahtung, unter ſteter Rückſichtnahme auf die politiſchen , religiöſen und ſocialen Zeitverhältniſſe verſtehen. Der geiſtvolle Autor nun hat es verſtanden, mit außergewöhn licher Geiſtesſhärfe und Unparteilichkeit in ſeinen Haup tſtrömungen der Litteratur des 19. J1hrhun dert s gleichſam ein dramatiſches S emälde zu ſchaffen, in welchem ſich der endgültige Sieg des geläuterten Human © tätsideales jedem Gebildeten, jedem frei und vorurtheilslos Denkenden fkryſtallklar wiederſpiegelt.

Die Hauptſtrömungen feſſeln daher vor Allem durch die geiſtvolle Gruppirung des Stoffes, der ebenſo wiſſenſchaftlichen, wie pikant unterhaltenden Darſtellungsweiſe, und der Erſchließung einer Fülle neuer Geſicht spunkte und anregender Gedanken, wel<he von einem Freidenker vorgetragen werden, der die Sache der freien Forſchung in der Wiſſenſchaft, der freien Entfaltung der Humanität in der Dichtk unt vertritt. Dieſer Umſtand, dieſe rückſihtsloſe Dffenheit, mit welcher Brandes die Zeit, die Perſonen, die Dinge ſchildert, mit der er, frei von jedem Autoritätsglauben, mit den althergebrachten, überkommenen Unſchauungen und Lehren briht und an deren Stelle das Rein-Menſchliche ſett, dieſer Umſtand iſ es, der ſeinen Hauptſtrömungen eine ſo außergewöhnlich große und nelle Anerkennung verliehen hat.

Die aufſtrebende Jugend beiderlei Geſchlechts nicht nur in Deutſchland, ſondern vor allem in den ſlaviſchen und romaniſchen Ländern, greift, ſobald ſie die Knechtſchaft, welche auch no in Kunſt und Wiſſenſchaft mehr oder weniger über ihrem Vaterlande brütet — und dies gilt beſonders von Rußland — abgeſchüttelt hat und in deutſchen Landen der Sprache nur einigermaßen mächtig geworden iſ, zuerſt und vor Ullem nah Brandes, EA der Litteratur des 19. Jahrhunderts. Denn hier finden