Das Nordlicht. Bd. 1-2

Bevor der Sonne Ich durch dich Vernunft gebar;

Du ahmst den Mond nach, so dich selbst! vermehrst dich, stirbst!

© Mond im Menschen, Stein im Herzen Urgefahr!

Gewagte Welt, du wirst dein Gott oder verdirbst!«

»Ummenschter Tod: gefürchteter, doch holder Mond!

O bleicher Leichenstein auf Sonnen leiser Nacht!«

Fällt hold der Knabe ein: »Wie hoch dein Kommen thront;

So silbre fern: du hast mich schon zu Gott gebracht!«

»Mein Liebling, « schluchzt nun Orpheus, »halte glücklich ein,

Vielleicht ist unsrer Wagniswelt Beschluß: der Stein!«

»Als ich heranschlich, fing mein Herz an hoch zu pochen;

Ich wollte dich verstehn, du solltest mich beloben:

Ich horchte, als dein Wort die Sonne ausgesprochen,

Und kam zu Gott. Auch du versinkst: still bleibt es oben!«

Das sagt der Knabe und erstummt auf Orpheus’ Schoß.

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Der Sänger lispelt: »Liebling, sing dich los

Von meiner Brust, umwolktem Fels, betannter Schlucht. Mein Hirtlein, liegst du still im Moos,

So überträume der Gewitterzüge Wucht.

Und bleib um mich, denn wisse: ich bin sichre Flucht! Mein Liebling lausch: dein Leib ist bloß,

Die Seele rein: ein sternendes Gefäß.

In dir sind Sonnen Gold und groß!

Nimm das Gefäß, so faß dich, folge mir: und drehs

In himmlischer Verschwendung um!

Dann schäumt der Kelch: verschäumt das Du! Der Wald wird stumm. Gesänge geistern auf wie Wetter eines Sees.

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