Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation
nun freilich nichts weniger als das, aber er hebt iihre religiöse Funktion auf,er weist sie zurück auf den ihr eigentümlichen Aufgabenbereich, der nicht im Religiösen liegt. Kirche ist ein Gemeinschaftsproblem, Religion aber ist Sache der IchEinzigkeit. Damit soll nicht gesagt sein, daß Religion die Gemeinschaft nichts ang’nge und umgekehrt, aber die Religion erzeugt keine Gemeinschaft, sie setzt sie vielmehr schon voraus. Der von Eckhart zur Bezeichnung des Gemeinschaftsproblems zebrauchte sehr bedeutsame Begriff des „ebenmenschen“ wird nicht erst innerhalb der Theologie als für sie konstitutiv erzeugt. sondern er liegt schon vor. Der Ebenmensc, das Du für das Ic, ist im religiösen Bereich nicht mehr konstitutiv. Dort ist vielmehr ein ganz neues Ich geboren, der Gottessohn, der nicht zum Du zum Ebenmenschen als solchen sich verhält und in diesem Verhalten Gemeinschaft bildet, sondern der vielmehr die polare Einzigkeit bildet zu Gott und nur in dieser Einzigkeitskorrelation den neuen Erlebensbereih gründet. Dazu bedarf es aber einer Weltwirklichkeit. Die Wirklichkeit für das Erleben- und Realisieren-können des neuen Einzigkeitsverhältnisses ist die Gemeinschaft, die somit zu einem Mittel wird für die Realisierung des religiösen Erlebens. Die Gemeinschaft wird im Religiösen nicht ausgelöscht, sondern „aufgehoben“, sie bleibt in ihrem ganzen Umfang bestehen, aber sie verliert ihre konstituierende Bedeutung. Der Ebenmensch ist nicht mehr der selbstzwecklih dem Ic als Du gegenüberstehende Repräsentant der Gemeinschaft, wie auch das Ich hier nicht mehr Repräsentant der Gemeinschaft ist, sondern er ist bloßes Mittel für das Ich, um die Korrelation zu Gott vollziehen zu können. Die Liebe zu Gott. das Wirken der Gerechtigkeit läßt sich nur realisieren am Ebenmenscen als demjenigen, dem Gott immanent und der selbst Gott immanent ist. Der Ebenmensch ist damit als solcher ausgelöscht und zu einem bloßen Repräsentanten Gottes geworden. Er hat über sein soziales Glied-sein und seine Repräsentation der Gemeinschaft noch die unendlich dichtere Bedeutung einer Weltwirklichkeit als Mittel der Korrelation Gott — Ich bekommen.
Gemeinschaft ist also der Religion schon vorgeordnet. Daß die Gemeinschaft in der Kirche eine Gemeinschaft der Heiligen ist, ändert nichts an ihrem prinzipiellen Charakter. Auch die Kirche als ein spezifischer Gemeinschaftsbereich ist der Religion schon vorgeordnet. Sie wendet sich nicht an den homo religiosus, den „inneren Menschen“, sondern an den kreatürlichen „äußeren”, damit sie ihn vorbereite und ihm gleichsam die äußeren, technischen Stützen und Gewohnheiten gebe auf dem Wege zur Abschei-
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