Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation
zur Einheit und damit zum Sein gebracht wird. In dem Prolog zum Opus Tripartitum erklärt Eckhart die Einheitsgebung durch das scholastische Beispiel von der Seele, die in dem einzelnen Körperteil nicht geteilt wird, sondern die als ein Ungeteiltes alles Mannigefaltige in sich einist, so daß die Vielheit der Teile doch nur ein Sein und ein Leben hat. Wenn also der Kopf auf dem Nordpol wäre und die Füße auf dem Südpol, so sagt Edchart, dann wäre gleichwohl der Fuß dem Kopf so nahe wie sich selbst. denn hinsichtlich des Seins, des Lebens und der Seele sind alle Teile gleich”): in uno enim nulla est distantia, nychil inferius altero, nulla prorsus distincto figure, ordinis aut actus. Diese Einheit aller Teile ist nicht eine Einerleiheit, sondern sie besagt die Einheit der Ordnung und der Sinnsphäre, in der alle Teile Glieder sind und als Glieder gleich sind, denn das Gliedsein mit seinem bestimmten Aufgabenkreis im Rahmen des Ganzen und zum Ganzen in der Einheit der Gesamtleistung gibt jedem Einzelnen den Charakter der Gleichheit. Gleichwohl möchte die zusammenfassende Schlußwendung: In uno enim nulla prorsus distinetio figure, ordinis aut actus, die auf eine substantielle Einerleiheit zu zielen scheint, unsere Erklärung ad absurdum führen, wenn wir nicht annehmen dürfen, daß dieser Schlußsatz lediglich als übernommene traditionelle Formel den Gedanken noch einmal prinzipiell begründen soll. Zu dieser Annahme berechtigt uns eine andere Erklärung dieser Frage, in der die Einheit des Mannigfaltigen als eine solche der Konkordanz bestimmt wird: III 562,5: Semper divisa et adversa in inferioribus uniuntur et concordant in altioribus et superioribus. Die Harmonie ist eine solche der Teile im Ganzen. Die Teile als Teile sind zwar verschieden und verschieden vollkommen und sind einander vor- und nachgeordnet; aber sofern sie unter dem Aspekt des Ganzen stehen, sind sie in dieser Sinnzuordnung gleichwertige Glieder, die wegen ihrer Vor- oder Na&hordnung nicht besser oder schlechter genannt werden können. III 392,7: partes autem non nisi in toto et propter totum, nulla eorum per prius maxima, nec per posterius minima, sed ex equo omnia et singula. III 294,7: omnes partes corporis animate immediate habent esse unum, in quo esse uno non cadit inaequalitas. Diese aequalitas ist die Gleichsinnigkeit der Zuordnung des Mannig-
®) Den. 556,18: Semper divisum inferius est, unum et indivisum in superiori. Ex quo patet, quod superius nullo modo dividitur in inferioribus, set manens indivisim colligit et unit divisa in inferioribus. Exemplum ... est in partibus animalis, in quibus non dividitur anima, sed manens indivisa singulas partes in se unit ut ipsarum sit una anima, una vita unum esse et unum vivere...
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