Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation, S. 82
cendente unum durch die transcendentale unitas“). In Anlehnung an dieses vierte Argument bildet er dann sogleich zwei neue mathematischer Herkunft ex natura unius®). Mit Bezug auf diese drei heißt es in der kurzen Inhaltszusammenfassung dieses Kapitels: Ubi invenies tres raciones novas, quod deus est unus. Diese Neuerung ist in der Tat grundsätzlich, weil der Einheitsbegriff nicht mehr in mannigfacher Bedeutung in den verschiedenen Wissensbezirken auftritt und kraft der „korrekten“ Analogie zusammengehalten werden soll. Es konkurrieren nicht mehr Mathematik und Theologie hinsichtlich der Bestimmung jenes Begriffs, sondern sie stehen im Verhältnis der methodischen Auxiliarität zueinander”). Die Mathematik als die systematisch vorgeordnete Wissenschaft gibt das Begriffsmaterial her als technisches Hilfsmittel zur Bewältigung grundsätzlich neuer Probleme in einem neuen Wissenschaftsbereich.
Der vierte Beweis knüpft in seinem Ausgangspunkt und in seiner Terminologie an die Tradition an: Es soll die Einzigkeit des Seins und Gottes durch den Begriff des unum bestimmt werden. Dieses ist zwar dem Worte nach (voce) etwas Negatives, der Sache nach aber höchste Affirmation”); es fügt dem Esse nichts hinzu. Seine Kraft ist lediglich eine solche des totalen Ausschlusses. Dadurch aber wird die absolute Reinheit und Einzigkeit des Seins garantiert, was der bloße Begriff des esse nicht zu leisten imstande ist: IV 250,11: li „unum“ nihil addit super esse, nec secundum racionem quidem, sed secundum solam negacionem .. .... Propter quod immediatissime se tenet ad esse; quinymo significat puritatem et medullam sive apicem ipsius esse quam nec lı esse significat. Der totale Ausschluß jeder heterogenen Bestimmung wird geleistet durch den Begriff der negacio negacionis. Dieser Kernbegriff der negativen Theologie erfährt jedoch eine immanente Sinnumdeutung. Zunächst scheint er nocdı in seinem alten ontologischen Sinn verstanden zu werden, wenn
#) Thery versucht mit großer dialektischer Kunst Eckhart aus dem thomistishen Gedankenschema heraus zu verstehen und kommt zu dem bezeichnenden Urteil IV 257 n. B5: Dans aucune de ces etapes de la pensee d’Eckhart, la transcendance de Dieu n'est mise direetement en lumiere. ib. 259 n. E: I| manque & Eckhart d’avoir des idees nettes sur l’unit€ metaphysique et l'unite mathematique, sur l’unite et l’unicite de l’etre, il lui manque aussi une doctrine ferme de l’analogie.
8) TV 249 ff.
%) Zum Begriff der methodischen Auxiliarität cf. Görland, Prologik, p. 347.
8) IV 249, 13.
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