Der Heilige Berg Athos : eine Symphonie. 3

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Wie einst die Hellenen, so hingen die Christen seit je, zu Byzanz, an den Bildern; ihr Eifer vermied keinen Abgott! Und so küssen die Griechen noch heute die Füße und Säume der schützenden Selig-Entrückten in Erz: sie küssen den Stein und sie küssen das Holz. Ein heiliger Hauch aus dem Atem der Allmacht umweht, wie sie hoffen, die Male Gemarterter, Gotthererwarteter, Gottzugesandter im Himmel; sie küssen die Spuren, sie küssen die Küssenden, küssen mit Inbrunst, in tiefer Verzücktheit die Münder der Küsseersehnenden, aus allen Zonen, zu den vier Zielen der Zeit.

Der Urkuß! O Ursilbe Ur, unsern Deutschen die eigenste und doch wie aus ostalter Fremdheit erzüngelt, du bleibst, gleich den Namen der Götter, von Volk über Volk hin, erhaben und rein fasterhalten. Zur Selbstverzauberten wirst du als Urkuß: da betrittst du die Schwelle des Scheins; dann bist du nicht mehr, sondern wirst, doch Entzauberung birgt dir der kultische Kuß. Such den Weltweben verwehenden Kuß fern in Kadmiel, dem Engel, dem Antlitz des Herrn: denn Kadmiel schreitet, als Sichtbarkeit Jahves, den Juden voraus, wie später Johannes, beflügelt, dem Sohn. Er stand als Kasmilos, Asiat und Kabire, unalterbar knabenhaft, auf Samos der Thrakier, benachbart dem Athos— wie Hermes dem Zeus—, tiefen Weihegeheimnissen bei: Sein Name? Der Einklang im All: ein ewiges Leuchten ersternender Seelen. Auch Dionysos brachte aus Nysa den löschenden Kuß: die Welt wurde Wohltat: das brennend zerzüngelnde Küssen Hephaistos’ — Heraklitos ahnte es früh — verschwand, nah dem Heiligen Berg, überm Meer der Kabiren.

Die griechische Kirche errichtete heilig dem Sohn des unfaßbaren Gottes der Juden sein Standbild. Der

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