Die Physiognomie des Menschen
Wissenschaft vom Leben. Nur eine unklare Mode behandelt heute die Wissenschaft von den Völkern, Kulturen, Rassen, Gemeinschaften unter dem Namen Morphologie oder Phänomenologie. Völker, Kulturen, das ist weder ein im Leib geoffenbartes unmittelbares Leben noch auch ein durch Sinngebung und Tat gemodeltes Leben, sondern hier handelt es sich um Ideen, das heißt Anschauungen der Vernunft. Es ist gewiß richtig, daß ein und dasselbe, z. B. ein Baum oder eine Landschaft betrachtet werden kann einmal als Gestalt und Lebensausdruck, zu zweit als ein Gegenstand des wachen Bewußtseins und zu dritt als Idee der Vernunft, aber das gibt uns nicht das Recht, alle Grenzen der Erkenntniskritik zu überspringen und drei Gebiete zu verwirren. Leben, Wirklichkeit und Vernunft müssen klar geschieden werden.
Eine Quellensammlung zur Gestaltenkunde wird sich mithin in erster Linie zu befassen haben mit allen Naturgestalten. Also mit Physiognomik und Mimik von Mensch, Tier, Pflanze, Mineral. Sie kann auch Wolken, Klänge, Raumgebilde, kurz alles unmittelbarals Gestalt Mitzuahmende betrachten, nicht aber die durch den Willen geschaffenen und nur diesen Willen und seine Zwecke spiegelnden Gegenstände. Und ebensowenig ist es ihre Aufgabe, die im Geiste lebendigen Ideen zu untersuchen.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß wir in späteren Veröffentlichungen unserer Sammlung auch die Physiognomik der Formen, zumal die Graphologie, berücksichtigen oder die Morphologie der Gesamtheiten und Gestaltqualitäten, etwa der Nationen und Kulturen bereichern werden. Aber zunächst müssen wir, um nützliche Arbeit zu leisten, auf die Väter der Physiognomik des Organischen zurückgehen. Wir haben in Aussicht genommen die Wiedergeburt alter Anatomen und Ärzte, welche den menschlichen Leib als Ganzes erfaßt haben. Neben den noch nicht ganz ver-
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