Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

2 Das Weltbild der Wissenschaft.

Das Leben erkennt sich erst dann, wenn es nicht mehr fähig isf. sich zu fräumen.

. j Philosophie als Tat.

Alle Wissenschaft, im Sinne: europäischer Wissenschaft, führt die unmittelbare Gegebenheit der sinnfällig wechselnden Erscheinungen zurück auf eine dahinter-dauernde, fest gestelite wirklichere Wirklichkeit. Diese wirklichere Wirklichkeit auf eine dritte, noch bündigere. Diese auf eine vierte, fünfte usw., bis zuletzt die abstrakteste Formel der Mechanik als die letzte und eigentlichste Wirklichkeit übrigbleibt. Somit ist denn Wissenschaft gar nichts anderes als ein endloses, nach dem wohlfeilem Gesetze der Kraftersparniß verfahrendes ‚Quid pro Quo‘. ai I

Ich wili versuchen, dieses Verhältniß deutlich zu machen an einem Beispiel. Ich wähle dazu die Erklärung des Lichts.

1. Die unmittelbare Wahrnehmung erkennt alle Erscheinungen von Licht als Abwandlungen von sieben Grundfarben, welche sich anordnen lassen zu einem Kreise. In Fin- sicht auf diesen Farbenkreis lassen sich völlig sichere Gesetze auffinden. Zum Beispiel: Jede Farbe erscheint in einer Fläche. _ Alle Farben zwischen Rot und Gelb müssen immer weniger rot, immer mehr gelb erscheinen. Grün hält»stets die Mitte von Gelb und Blau. Blau muß über Violett und Purpur schließlich übergehn in Rot. Und dergleichen sichere Aussagen mehr. Dies nun ist zweifellos Wissenschaft. Aber eine Wissenschaft, welche haften bleibt an der unmittelbaren Erscheinung. Sie begnügt sich Gesehenes zu ordnen und zu beschreiben. Es ist Wissenschaft in der vordersten Eiblennle:

2. Nun aber kommt. eine Wissenschait der zweiten Ebene. im Fall des Lichtes und der Farben die sogenannte Optik. Sie hebt an mit Galileis Unterscheidung von Eigenschaften der ersten und zweiten Ordnung. „Hinter Deiner augenscheinlichen Wirklichkeit“ (so spricht die Optik) „liegt eine zwar minder sinnenfällige aber um so objektivere zweite Wirklichkeit. Nur für dein Auge bilden die Farben einen Ring. Nicht an sich! Da vielmehr handelt es sich um Wellenlängen von Schwingungen, welche man geordnet denken muß in eine Stufeniolge. Je nach der Anzahl der Schwingungen ändert sich dann Deine Farbenwahrnehmung.