Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

889 Die Wellenlänge ist am kleinsten für Violett und steigt stätig bis zur größten Wellenlänge von 700 jr in Rot.“

Damit vollzog sich an der unmittelbaren Wirklichkeit ein Enteignungsvorgang. Ich nenne ihn desqualificatio (Entlaugung). —Mit dem Worte Entlaugung will ich sagen, daß die Erscheinungen der vordersten Ebene in der zweiten bleicher und blasser zu werden beginnen. Es bleiben ja von der leuchtenden Welt der Farben nur übrig die Bewegungen eines Äther zubenannten in Raum und Zeit wirksam gedachten Sub-

strais. _ 3. Bleibt es nun bei dieser ‚Wirklichkeit der zweiten Ebene‘? ... Ein berühmtes arabisches Werk des Persers

Nasireddin aus Tus trägt den wunderlichen Titel: ‚Tedschrid ol kelam’; Entblößung des Wortes, welche Bezeichnung vortrefilich malt die immer weiter anwachsende Kahlheit unsichtiger Verbegriitlichung, welche nicht mehr erlaubt das Wort zu erhalten in der leuchtenden Sphäre des Lebens.

Über die Wirklichkeit der zweiten Ebene kommt alsbald eine noch strengere Wissenschaft. Diese fordert, daß auch die zweite Wirklichkeit noch weiter umgedacht werde in eine noch gültigere, n och gewissere: dritte. — Maxwell und Faraday lehren, daß hinter den Ätherschwingungen, welche Newton zugrundelegte dem Lichte und den Farben, ‚eigentlich‘ stünden: elektrische Kräfte.

4. Bleibt es nun bei diesen elektrischen Kräften? Nein! Auch sie müssen alsbald wieder weiterumgedacht werden in energetische Vorgänge ohne bestimmt angebbaren Charakter, dann erst kommen wir zu einem alles Qualitative auf Quantitäten, (d. h. auf Unterschiede nach Zahl und Menge) zurückführendem völlig ‚exaktem‘ Weltbild.

5. Bleibt es dabei? Nein! Auch die alles Leuchtens und Glänzens entblößte, völlig ziiffernmäßige Welt der matematischen Physik umfaßt doch noch immer Allerlei, was der sichtigen Erfahrung zugehört; so z. B. Vorstellungen wie Atom, Kraitzentrum, Raum, Zeit, räumliche und zeitliche Bewegung. Der Stolz der rechnerischen Intelligenz aber fordert, daß die Welt der Sinne endgültig umgedacht werde in eine Welt bloßen Kalküls. So beginnt denn die rechnerische Intelligenz umdenkend zu entlaugen: das Atom, den Raum, die Zeit, zuletzt Bewegung, ja Vorgang überhaupt. Dieses Umdenkungsverfahren ist auch heute noch nicht abgeschlossen.

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