Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

“ Glaswand des zeitlich-ursächlichen ‘Denkens hat der Homunkulus sich warm eingebettet in den Wahn, die Natur selber sei die fortschreitende Ursachenkette zeitlicher Bewegungen. Unsre Gefängnißwärter haben diesen Wahn uns teuer gemacht. Nun will das vorliegende Werk den Kerker entriegeln. Aber gleich dem weisen Proteus im ‚Faust‘ kann es dem Homunkulus nur sagen: ‚Zerschelist Du beim Feste der Lebensgebilde Dein Glas am Wagentrone Galatheas, der Liebesgöttin, dann hörst Du auf, als Geist zu bestehen, wirst dafür aber wieder lebendig als Element‘ ... .. Ich stelle entgegen dem zeitlich-ursächlichem Weltbild der Wissenschaft von heute ein ungleich viel- und mannigfaltigeres Gemälde. Dieses weiß nichts von dem einreihigem Ablauf von Jugend zu Alter, von Frühling zu Herbst, von der Geburt zum Tode. Vielmehr sind alle Zeit- und Lebensalter, Jahreszeiten, Grade, Arten und Stufen immer mit und neben einander gegenwärtig. Nur dann, wenn die Natur nicht unbefangen voraussetzungslos betrachtet wird, sondern von einem ichbezüglichem Punkte aus und auf Grund eines schon vorausgesetzten Sinngefüges, nur dann entsteht die zeitliche, d.h. auf einen Betrachter hin eingestellte Reihe. Es kann natürlich nicht die Absicht meiner Schriften sein, Geschichte oder gar Zeitbewußtsein zu vernichten. Das hieße ja, den Ast absägen, darauf wir Erdenmenschen sitzen. Wohl aber wünschte ich zu zeigen, was Geschichte und Zeit eigentlich ist und daß wir Beides nur nebenbei besitzen neben einem anderem Leben, welches weder geschichtlich noch zeitlich ist; so wie der Mensch auch ein Traumleben besitzt neben der Wachwelt des Tagesbewußtseins.

Es ist auch fürder ganz unbenommen, anzunehmen, daß das Weltbild des ‚Altertums sich entwickelt habe aus dem babylonisch - assyrischen, daß wiederum die klassische Zeit Vorstufe geworden sei für das Mittelalter und dieses dann allmählich überging in die Neuzeit. Das mögen Kinder weiter lehren für Kinder. Nur soll nicht verschwiegen bleiben, daß die geschichtliche Reihe lediglich den Wert hat einer menschlichen Zurechtelegung. Denn an und

für sich kann nicht Gewesenes mit Gegenwärtigem assoziativ-

kausal zusammenhängen, sondern der lebendige Zusammenhang ist zeitlos; so daß überhaupt nichts neu entsteht oder zusrundegeht, vielmehr alles in allem immer gegenwärtig blieb. Der Fortschritt unsres Denkens läßt bestimmte Organe sich verbreitern zu ungunsten anderer Organe, ähnlich wie z. B. die