Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

120 V. Stille Zeiten.

Thronprätendenten Don Carlos mit Waffen und mit Geld zu unterſtüßen. Dieſer königliche Prinz wollte die Änderung des Thronfolgerechtes, die König Ferdinand VIT. vorgenommen hatte, nicht anertennen. Die Krone, die Fſabella nun trug, ſollte auf ſeinem Haupte erglänzen. Aber der langjährige Gebirgskrieg, der unzähligen Menſchen das Leben koſtete, endete mit einem Erfolge der Madrider Regierung. Die Anhänger des durch ſeine Geburt ſo hochgeſtellten Revolutionärs3, der allerdings im Namen des Legitimitätsprinzips tämpfte, mußten ihre Waffen ſtre>en. Don Carlos verließ den Boden Spaniens.

Viel ſtärker berührte in Wien ein Streit, der zwiſchen dem Sultan - und ſeinem Vaſallen Mehmed-Ali ausgebrochen war. Der Viz ekönig von Ägypten war ein ſicherlih niht gewöhnlich begabter Mann, der merkwürdigerweiſe im öſterreichiſhen Diplomaten Prokeſh-Oſten einen begeiſterten Lobredner gefunden hat. Jn ſeiner \hönen albaneſiſchen Tracht, mit dem weißen Turban, bot Mehmed-Ali das Bild eines Menſchen, dem Zuverſicht innewohnte und auf den die Erfahrung im Alter einen mäßigenden Einfluß übte. Ägypten hatte ſih unter ſeiner kräftigen Verwaltung ſihtli<h gehoben. Der Mohammedaner Mehmed-Ali fand in dem bibliſchen Joſef ſein Vorbild. Gegen die europäiſche Anſchauungsweiſe verſtieß es wohl ſehr, wenn der Vizekönig beſtimmte, daß der ganze bebaute Boden Eigentum des Staates ſei, daß andererſeits der Regierung als Vertreterïn der Geſamtheit die Verpflichtung zufalle, alle zur Fruchtbarmachung notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Für Ägypten jedoch bildete dieſe Maßregel die einzige Möglichkeit, um die Landwirtſchaft in die Höhe zu bringen und eine Epoche ihrer Blüte herbeizuführen 1).

Im Kampfe mit den Griechen hatte Mehmed-Ali dem Sultan treue und große Dienſte geleiſtet, und er konnte deshalb mit Fug berlangen, daß ihm der bedungene Lohn, das ſüdliche Syrien, zugewieſen werde. Als man in Konſtantinopel keine Miene machte, den Wunſch des ehrgeizigen Vizekönigs zu erfüllen, griff dieſer energiſch zur Selbſthilfe. Dieſes kühne Beginnen hatte zur Folge, daß der erzürnte Sultan den ſelbſtbewußten Mehmed-Ali und ſeinen Sohn Jbrahim aller Stellen enthob; über beide wurde im Jahre 1832 der Bann verhängt. Der oberherrlihen Strafe wollten \ſi< aber Vater und Sohn nicht fügen. Auf ihre Kraft und auf das Glück ihrer Waffen pochend, nahmen ſie den Kampf gegen Konſtantinopel

1) Prokeſh-Oſten. Mehmed-Ali. Vizekönig von Ägypten. Wien 1877.