Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

122 V, Stille Zeiten.

ſehr gelegen, die Kaiſer Franz an ihn richtete. Jn dem Wallenſteinſchen Schloſſe zu Münchengräß wollten ſich die beiden Monarchen begegnen. Auch an die Anweſenheit König Friedrich Wilhelms III. von Preußen wurde gedacht. Das Programm erlitt jedo<h manche Störung. Wohl ſahen ſich Friedrich Wilhelm und Franz, ebenſo wie der König von Preußen und der Zar einander die Hände drü>kten. Aber in Münchengräß kam es nur zu einer Begegnung zwiſchen den beiden Kaiſern. Jm September 1833 waren in dem ſ{hönen Schloſſe Franz und Nikolaus mit ihren Miniſtern zehn Tage verſammelt, um wichtige Vereinbarungen zu treffen. Metternich ſah den Zaren ſeit ſeiner Thronbeſteigung zum erſten Male und er war von der Aufnahme beglüd>t, die er bei dem ſonſt ſo ho<hmütigen Nikolaus fand. Nicht weniger erfreulih mag für ihn das Geſchenk im Werte von 26 000 Rubeln geweſen ſein, mit dem ihn der Gaſt überraſchte 1). Der Kaiſer von Rußland wußte den öſterreichiſchen Staatskanzler vor=trefflich zu behandeln. Schon die ſchmeichelhafſten Begrüßungsworte: „Jch komme hieher, um mich unter die Befehle meines Chefs zu ſtellen“, konnten nicht ihre Wirkung verfehlen. Übrigens hatten Metternich und Nikolaus im Weſen die gleichen reaktionären Ziele. Öſterreich und Rußland verpflichteten ſih zur Erhaltung des osmaniſchen Reiches und der dort herrſchenden Dynaſtie. Dem Paſcha von Ägypten ſollte gemeinſam entgegengetreten werden, wenn er ſeinen Einfluß auf die europäiſchen Provinzen der Türkei ausdehnen würde. Wäre aber der beſtehende Zuſtand im osmaniſchen Reiche nicht zu erhalten, dann wollten die beiden Mächte im gegenſeitigen Einverſtändniſſe vorgehen. Eine zweite, gleichfalls geheime übereinfunft galt den unruhigen Polen. Öſterreich und Rußland garantier=ten ih abermals den Beſiß ihrer polniſchen Provinzen und verſprachen ſi< im Falle eines Aufſtandes wechſelſeitige Hilfe. Jn einem dritten Vertrage wurde der von der franzöſiſchen Regierung verfochtene Grundſatz der Nichtintervention entſchieden zurü>gewie=ſen. Kaiſer Franz und Nikolaus wahrten für ſih ausdrü>li<h das Recht des Einſchreitens gegen die revolutionäre Propaganda in andern Staaten ; nicht nur das, ſie erklärten die Jntervention geradezu als Pflicht.

Jn Münchengräß war man ſehr ungehalten geweſen, weil der preußiſche Miniſter Ancillon trotz der dringlichen Einladung nicht erſchien. Man rechnete jedoh mit der Unterſtüßung des Berliner

1) Aus den Tagebüchern des Grafen Prokeſh-Oſten. Wien 1909,