Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

12 I. Das Zeitalter der franzöſiſchen Revolution.

Das Band, das die Koalition um die Höfe von Wien und Berlin gewunden hatte, lag zerriſſen auf dem Boden. Doch das blutige Ringen hörte nicht auf. Freiherr von Thugut {hloß mit England zuerſt einen Unterſtüßzung8- und wenige Tage hierauf, am 20. Mai, einen Bundesvertrag. Rußland wurde im Herbſte zum Beitritte veranlaßt. Die Abſicht Preußens, dié deutſchen Reichsſtände für den Baſe= ler Friedensſ{<luß zu gewinnen, {lug fehl, ſo daß Öſterreih au< von dieſen Kreiſen militäriſchen Beiſtand erwarten konnte. Das Jahr 1795 ſah einen läſſig geführten Krieg, der den Gegnern Frankreichs nur die Genugtuung brachte, daß Mainz und Mannheim von den öſterreichiſchen Feldherren Clerfayt und Wurmſer entſezt wurden. Die Generale Jourdan und Pichegru mußten über den Rhein zurückziehen. Jm nächſten Jahre trat ein no< junger Krieger an die Spige der Armeen Öſterreichs und der deutſchen Reichsſtände: Erzherzog Carl, der Bruder des Kaiſers.

Mit dankbarer Liebe mag man bei der Erinnerung an dieſen edlen Prinzen verweilen. Dominik Fernkorn hat mit der Begeiſterungs8fähigkeit des Künſtlers dem Erzherzog ein ausdru>svolles Denfmal vor die Hofburg hingeſtellt, indem er den glänzendſten Augenbli> ſeines Daſeins der Nachwelt im erzernen Bilde überlieferte. Aber Carl war mehr als der Feldherr, der einmal im Momente der Entmutigung tapfer die Fahne zu ergreifen und ſeine Soldaten mit Hel= denmut zu durchdringen verſtand. Er iſt vor allem als Menſch bedeutend geweſen. Jn ſeinen Kindertagen bereitete er zwar den Lehrern manche trübe Stunde und die Schilderung, die der Vater von dem zum Jünglinge herangereiften Carl entwarf, lautete nicht zu günſtig 1). Von Toskana nach Belgien geſchi>t, entwi>elte ſich der Erzherzog am öſterreichiſchen Hofe zu Brüſſel prächtig. Seit früheſter Jugend hatte Carl eine leidenſchaftliche Vorliebe für das Handwerk des Kriegers ; dennoch war er der geführten Kriege im innerſten Herzen unfroh und er benüßte jede Gelegenheit, um den Frieden aufs lebhafteſte zu preiſen. Der Erzherzog verriet in ſeinen Plänen Großzügigkeit, und was mehr iſt: Einſicht und ſcharfe Erkenntnis. Er war nicht nur Soldat, ſondern au< Bürger und ſein Blik hing nicht bloß an der langen Reihe der Regimenter, ſondern haftete auh an den Wunden und Schäden des Staates, die es leider reihli<, allzu reichli<h, gab. Carl vertrat de3halb immer die Meinung, daß ſein Vaterland ſich erſt kräftigen, erneuern, moderniſieren müſſe,

1) H. Ritter von Zeißberg Erzherzog Caxl von Öſterreich.