Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

d 20 I. Der Kampf gegen Napoleon.

Schauplatz ſeiner Tätigkeit und die Fama erzählte noh lange, ohne Grund — daß der unpopuläre „Kriegsbaron““ in der Ausübung ſeines Einſluſſes fortfahre.

IL. Dex Kampf gegen Bapolevon.,

A. Öſterreihs Gegenwehr und Demütigung.

Jm Leben jedes Menſchen gibt es ſchi>ſalsvolle Augenblicke, in denen Entſcheidungen fallen, die für alles Kommende die Richtung weiſen. Für den erſten Konſul der franzöſiſchen Republik war nun die Zeit da, ſich über ſich ſelbſt und ſein weiteres Beginnen flar zu werden. Märchenhaft hatte ſich ſein Auſſtieg vollzogen ; der kleine Offizier, dem ſo viele Tage der Not und der Verzweiflung beſchieden waren, ſtand bereits im Mittelpunkte des europäiſchen Fntereſſes, und in ſeinen Händen liefen ſchon die Fäden zuſammen, an denen das Schickſal der Staaten hing. Es war dem Korſen geglückt, ſich an die Spitze des aufgewühlten, in ſeinen tiefſten Tiefen erſchütterten Frankreich zu ſtellen und den Franzoſen zu bieten, was ſie brauchten, um willenloſe Werkzeuge des einen zu werden; das Trompetengeſchmetter des Ruhms und die faſzinierende Kraft einer leuchtenden Perſönlichkeit. Als Gebieter ſeines zweiten Vaterlandes fonnte Napoleon Bonaparte an eine geſicherte Zukunft denken, wenn er es nun der Eroberungszüge genug ſein laſſen und ſih ſhöpfungsfroh der Arbeit auf eigenem Boden hingeben wollte. Die alten Mächte Europas, die vor einem Jahrzehnte den angſtvollen Sammlungsruf zum Schutze des franzöſiſchen Königtums vernommen hatten, ſahen in Napoleon den Bezwinger der Revolution. Als der Bändiger der Schre>ensmänner war er ihnen nicht unwillfommen, obgleich ex ſih vermaß, an dem Hergebrachten mit ſtarken Armen zu rütteln. Nach der großen Umwälzung zeigte man ſich eben kleineren Umgeſtaltungen gegenüber abgehärtet. Doch die dämoniſchen Kräfte, die Napoleon bisher vorwärtsgetrieben, geſtatteten ihm kein Stehenbleiben, fein Sichbegnügen. Wer ſoweit gekommen war, wollte es naturgemäß noch weiter bringen. Jm Hirne des erſten Konſuls blißte vielleicht ſhon der Gedanke auf, den er wenige Jahre ſpäter rü>haltslos ausſprah: „Es wird nicht eher Ruhe in Europa eintreten, als bis es ein einziges Oberhaupt hat‘“‘1). Wer anders

1) Auguſt Fournier. Napoleon 1. Wien 1905. Band 2.