Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

154 Meueſte Geſchichte, 1. Zeitraum.

hierarchiſche Nichtung ſeit länger als tauſend Jahren jede andere verdrängt, oder in ſi< aufgenommen hatte, ſo war Allem eine religiöſe Für= bóung verliehen worden. Die Ceremonien des Kultus ſtimmten mit der Schauluſt und der Neigung der Menge zum Müßiggange überein, und übten eine große Anziehungskraft aus. Nur war unter dem Volke, wie dies bei einer aus lauter unverheiratheten Männern beſtehenden Regierung natürli iſt, weniger Anhänglichkeit an die meiſt bejahrten und deshalb \<nell we<ſelnven Machthaber, als an die von ihnen vertretene Ordnung der Dinge vorhanden. Der Gedanke, die Zerfallenheit des bffentlichen Lebens gegen kräftigere Einrichtungen, die für den Augenbli> Entbehrun= gen auflegten, aber eine beſſere Zukunft vorbereiteten, zu vertauſchen, ſtand der Maſſe in Rom noc fremdartiger und feindlicher als im übri= gen Îtalien gegenüber. Deshalb war die erſte Erſcheinung der franzö= ſiſchen Revolution in Nom, in Baſſeville's Perſon, mit Dolchſtichen be= grüßt worden.

Allmälig hatten aber die neuen Ideen, beſonders ſeitdem die Fran= zoſen in Italien ſelbſt eingedrungen waren, auh in Rom um ſich ge= griffen. Ein Theil des höheren Adels fühlte ſi<h von der gänzlichen Ausſchließung vom öffentlichen Leben, und ſeiner Unterordnung unter die ihm an Geburt meiſt nachſtehenden kirhlichen Würdenträger gede= müthigt. Der untere Klerus, von den Prälaten in ſtrenger Abhängig= feit gehalten, und ſpärlich beſoldet, hoffte die Annahme franzöſiſcher Ein= richtungen von einer billigeren Vertheilung des Kirchenvermögens bez gleitet zu ſchen. Von der in Nom wie in ganz Ztalien zahlreichen Klaſſe der literariſ< und artiſtiſh Gebildeten, den Advokaten, Schriftſtellecn, Künſtlern, wurde ihre Zurü>ſeßzung im Staate und in der Geſellſchaft übel empfunden, und mit der Bedeutung, zu welcher ſi ihre Berufs= genoſſen in Frankreich erhoben hatten, verglichen. Das niedere Volk fühlte ſich, da die päbſtlihen Einnahmen ſeit dem Frieden von Tolentino ſehr abgenommen hatten, von der Verringerung der öffentlichen Spen=den gereizt. Die ſinnliche, leiht bewegliche Menge war, ohne irgend eine beſtimmte Vorſtellung über die Zukunft zu hegen, plößlih von einem Drange na< Veränderung ergriffen worden. Die geringe Achtung der geiſilihen Regierung im Auslande hatte zulegt auf die Stim= mung der einheimiſchen Bevölkerung zurü>gewirkt. Man verlor die Scheu vor Machthabern, die überall, wo ſie handelnd eingreifen wollten, De= müthigungen oder Niederlagen erfuhren.

Unter ſolcher Geſinnung des Volkes, die bei der ſüdlichen Lebeudig=z Feit caſh um fi< griff, war Joſeph Bonaparte, der ältere Bruder des