Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

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Stimmung in Rom. 133

Die bürgerlihe Ordnung des Lebens war in Rom, im Gegenſaßz zu der ſo kunſtvoll geordneten fkirhlichen Hierarchie, unentwi>elt und lüdenhaft geblieben. Es fehlte zwiſchen den Grundbeſtandtheilen der Bevölkerung an den vermittelnden Uebergangsſtufen, die, je zahlrei= cer ſie ſind, eine um fo vorgeſchrittnere Geſittung beweiſen. Die Eigenthumsverhältniſſe waren, nicht in ihren äußeren Formen, aber was ihren Einfluß auf die Geſellſchaft betrifft, faſt ſo wie in den lebten Zeiz ten des Alterthums geſtaltet. Es traten, im Ganzen, nur Magnaten und Proletarier hervor. Selbſt im geiſtlichen Stande war, zwiſchen den vie= len reichen Prälaten und dem ſehr ärmlich ausgeſtatteten niederen Klerus, ein unermeßlicher Unterſchied vorhanden.

Eine dunkle Erinnerung an frühere Größe, war ſelbſt unter dèr unwiſſenden Menge, mit Rom's Namen verbunden geblieben, und hatte im Mittelalter häufig zu Aufſtänden gegen Päbſte und Kaiſer, und unter Cola Rienzi zu tem phantaſtiſchen Verſuche einer Wiederherſtellung dex römiſchen Nepublif geführt. Von Zeit zu Zeit hatten die entarteten Abkömmlinge der Eroberer der alten Welt, wie von jungem Weine ¿xunfen, zu den Waffen, um dieſe oder jene, wirkliche oder vermeint= liche, Unbill zu rächen, gegriffen, waren aber bald wieder in ihren wollüſtigen Halbſchlummer zurü>geſunken. In Folge der Renaiſſauce waren von den höheren Klaſſen die letzten Ueberreſte des überhaupt in vas Volksleben nie tief eingedrungenen Feudalweſens, bis auf wenige Namen und Zeichen, abgeſtreift worden. In den gelehrten und gebilde= ten Kreiſen der Nation war man zu Macchiavell's und Aretin’'s Zeit ge=neigt, das Pabſtthum als eine fremde und ſelbſt feindliche Erſcheinung zu betraten. Eine Neigung für die Formen der alten Welt machte ſich in ver Sprache, der Wiſſenſchaft und Kunſt geltend, und drohte auch) die Verhältniſſe des wirklichen Lebens zu ergreifen. Römiſche Götterbil= ver waren auf dem Kapitol , als Patrone des modernen Rom's, bis ſie die päbſtliche Regierung fortnehmen ließ, aufgeſtellt. Der dur<hgrei= fende Despotismus Sixtus Y. machte dieſen unzeitigen Verſuchen, das Alterthum in religiöſer oder politiſcher Beziehung erneuern zu wollen, ein Ende. Aber im römiſchen Volke regte ſich von Zeit zu Zeit die Stimmung herabgekommener Erben großer Namen. Es trat eine Unzufriedenheit mit dem Beſtehenden, ohne Bewußtſein, ſelbſt ohne Ahnung über deſſen zwe>mäßige Umgeſtaltung oder Verbeſſerung ein.

Das niedere Volk in Nom war der päbfilicen Negierung, ſo lange vieſe keine ſtrenge Zucht handhabte , für wohlfeile Lebensmittel ſorgte, und reiche Almoſen ſpendete, zugethan. Da im Leben der Römer die