Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

150 Neueſte Geſchichte, 1. Zeitraunt,

entgegen waren, und bedrohte Jeden, der ſi übel über die: franzöſiſchen Behörden auslaſſen würde, mit Stellung vor das Krieg8geriht. Raub und Gewaltthätigkeit waren an der Tagesordnung.

Die größeren ariſtokratiſchen Kantone, welche ſi niht verhehlen konnten, daß ſie ſich, dur ihre Selbſtſucht und ihre Uneinigkeit , dieſes Mißgeſchi> zum Theil zugezogen hatten, beugten das Haupt unter das Doch und nahmen, in der Hoffnung auf eine beſſere Zukunft , die Leiden der Gegenwart geduldig hin. In den kleineren demokratiſchen Kantonen aber, der Urſchweiz, wo von jeher eine wirklichere und lebendigere Frei= heit als anderswo beſtanden hatte, gährte es unaufhörli<h, und wurde das Unglü> nicht mit derſelben Entſagung ertragen. Auswärtige Agenten, Engländer, franzöſiſche Ausgewanderte und Noyaliſten, ſhürten das glimmende Feuer geſchäftig an. Viele eifrige Anhänger der alten Eidgenoſſenſchaft, die nicht unter franzöſiſcher Herrſchaft leben wollten, hat=z ten ſih nah der inneren Schweiz, wo die neuen Einrichtungen noh niht eingeführt waren, begeben.

Plößlich kam den fünf kleinen Kantonen von Paris aus der Befehl zu, den Eid auf die helvetiſhe Verfaſſung, bei Verluſt des Bürgerre<hts, am 12. Julius (1798) abzulegen. Der äußerſte Widerwille gab ſi< ohne Hehl kund. Schwyz war zur Erhebung bereit, als Reding , der mit Gewißheit einen unglü>lihen Ausgang vorausſah, durch ſeine Vor= ſtellungen die Nuhe erhielt. Ein Anfang zur Auflehnung war jedoch ſhon gemaht worden, und mußte ſpäter mit Erlegung einer Geldbuße geſühnt werden.

Aber Unterwalden , wo die Entſchloſſenſten unter den altgeſinnten Schweizern zuſammengeſtrömt waren, wo die Geiſtlichkeit einen beſonders großen Einfluß ausübte, verweigerte den verlangten Eid, griff zu den Waffen, und vertrieb die von den Franzoſen eingeſeßten Behörden. Schauenburg räumte eine Friſt zur Unterwerfung ein, die unbenußt vor= überging. Zwei = bis dreitauſend Untecwaldner, von einigen Hundert Sc<hwyzern und Urnern verſtärkt, hatten es mit 12- bis 16,000 Franzoſen aufzunehmen. Vom 7. bis 9. September wurde von beiden Seiten mit einer gränzenloſen Erbitterung , die an die blutigen Ereigniſſe des Ven= déekrieges erinnert, gefohten. Alles, was in dem Kanton eine Waſfe tragen konnte, betheiligte ſi< an dem Kampfe. Selbſt Kranke verließen ihre Betten, um ſi in die Reihen ihrer Brüder zu ſtellen. Knaben und Mädchen ſchoſſen auf den Feind, Prieſter und Mönche begleiteten die Krieger in das Gefecht. Wer einen Franzoſen tödtete, hielt ſi<h des Paradieſes für gewiß, Die franzöſiſchen Soldaten kannten, von dem