Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Einnahme von Alexandrien. 157

engliſche Admiral vor Neapel an, erfuhr dort die Beſtimmung der fran= zöſiſchen Flotte, und die Uebergabe Malta's, und richtete jeßt ſeinen Lauf nach Aegypten. Er befand ſi<h an der Südſpiße Candia's, als Bona=z parte die Nordſpiße umſchiffte, gelangte am 29. Junius auf der Nhede von Alexandrien an, ſegelte, die franzöſiſche Flotte immer verfehlend, nach Kleinaſien und von da nac Sicilien zurü>.

Am Abend des 30. Junius langte die franzöſiſche Flotte im Ange= ſicht von Alexandrien an. Als Bonaparte erfuhr, daß Nelſon am vor= hergehenden Tage da geweſen, ſchiſſte er ſein Heer, da die engliſche Flotte bald wieder eintreffen konnte, in größter Eile, an der Landſpiße von Ma= rabon, drei Stunden von Alexandrien entfernt, 'aus. Bonaparte hatte {on in Malta eine Proklamation an die Araber, in welcher er die Franzoſen als Freunde der Pforte und als Befreier Aegyptens von der Herrſchaft der Mameluken ankündigte, dru>en laſſen. Dieſe Anſprache wurde dur Vecmittelung des franzöſiſhen Conſuls in Alexandrien verz theilt, blieb aber anfänglich wirkungslos. Die Bevölkerung griff zu den Waffen, und Kleber und Menou, welche die franzöſiſche Vorhut beſehligten, wurden verwundet. Nachdem aber die Franzoſen mehre Thore und Straßen mit Sturm genommen hatten, legten die Einwohner die Waffen nieder und unterwarfen ſi< ihrem Schickſal. Bonaparte richtete hierauf ein Schreiben an den in Cairo reſidirenden türkiſchen Paſcha, und bot ihm ein Bündniß gegen die Mameluken , als gegen gemeinſame Feinde, an. Er ſchi>te zugleich die in Malta gefundenen türkiſhen Sklaven des Ordens auf franzöſiſche Koſten nah Konſtantinopel zurü>. Der Paſcha und die Pforte ließen ſich dur ſolche Künſte nicht täuſchen, aber auf die Bevölkerung Aegyptens blieben ſie nicht ohne Einfluß. Obgleich die Franzoſen als Chriſten und Fremde nicht beliebt ſein konnten, ſo war die Mamelukeuherrſchaft den Einheimiſchen ſo verhaßt, daß ſich Niemand für dieſelben erhob, und ihnen die Vertheidigung des Landes, welches ſie mit großer Härte regierten, allein überlaſſen wurde.

Dem ſinnenden Geiſte Bonaparte's, der, ungeachtet ſeiner Thatz fraft, n.e die allgemeinen Beziehungen der Erſcheinungen aufeinander, ihren Urſprung und den von ihnen erfahrenen Wechſel aus den Augen verlor, ſtellte ſi<h in Alexandrien eines der auffallendſten Beiſpiele von Unbeſtändigkeit menſchlicher Größe dar. Dieſelbe Stadt, welche damals nur 6000 Einwohner und ein Labyrinth von Lehmhütten mit ſchmutzigen Straßen enthielt, hatte einſt das Grab Alexander's des Großen, eines der Wunder der alten Welt, beſeſſen, und war an Volkszahl, an Pracht der Gebäude, an Glanz der Wiſſenſchaft und Kunſt eine Nebenbuhlerin