Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Franzbſiſche Uebergriffe in Piemont. 177

näherung der ſardiniſchen Truppen \ſi< zu {wah fühlten, over griffen dieſelben, gegen alle Grundſäße des Völkerrehtes, da der König von Sardinien mit ſeinen Nachbarn nicht im Kriege begriffen war , wenn ſie in gehöriger Zahl verſanimelt waren, an. Jeden Augenbli> konnte in Piemont, bei der von Außen her genährten Gährung und Aufregung, ein allgemeiner Auſſtand ausbrechen. Gewöhnlich waren einige Franzo=z ſen, entweder exaltirte Demokraten, oder Sendlinge der franzöſiſchen Geſandten in Mailand und Genua, in dieſe Umtriebe und Verſchwörun=gen verwid>elt.

Karl Emanuel TV., der perſönli \<wa< war, und jede Geſlegen=heit, dem Direktorium Urſache zur Unzufriedenheit zu geben , ſorgſältig vermied, beſaß jedo<h an dem Marquis von Priocca einen kräftigen und unerſchro>enen Miniſter, der Piemont nicht ohne alle Gegenwehr fallen laſſen wollte, und die Aufwiegler verfolgen, und, vorkommenden Falles, mit dem Tode beſtrafen ließ. Es kam, bei der herrſchenden Spannung und Verwirrung, allerdings vor, daß auc zuweilen Unſchuldige oder blos Verdächtige aufgeopfert wurden. Es waren dies aber Unterthanen des Königs von Sardinien. Gegen gefangene Franzoſen wurde nur dann mit Strenge verfahren, wenn ſie durchaus überführt waren. Die ligu=riſche Republik ging endlich ſo weit, Krieg an Sardinien zu erklären, und die ausgewanderten piemonteſiſhen Demokraten fielen, mit liguriſchen Patrioten verbunden, in Piemont ein, ließen aber bei einer ihrer Unterz nehmungen gegen 600 Todte und Verwundete zurü>. Das Direktorium verlangte jet von Karl Emanuel Beilegung der Streitigkeiten mit Ligu= rien, eine Amneſtie für die aufſtänviſchen Piemonteſen, und Freilaſſung der fremden Gefangenen. Auch dies ward bewilligt. Hiermit aber niht zufrieden, forderte der franzöſiſche Geſandte in Turin, Ginguené*), Aufz nahme franzöſiſcher Truppen in die Citadelle von Turin. Das Direk= torium hatte anfänglich auf eine von Talleyrand bevorwortete Klage des ſardiniſchen Hofes beifällig geantwortet, und das Verhalten ſeines Vertreters gemißbilligt, ſ{hlug ſi ſpäter aber auf deſſen Seite, und Karl Emanuel mußte auch dieſem Anſinnen nachgeben (3. Julius 1798).

Die Franzoſen waren aber weit entfernt, von dieſer Fügſamkeit gewonnen zu werden. Jede Nachgiebigkeit rief nur neue Forderungen hervor. Der franzöſiſche Geſandte und der General Brune beſtürmten den König täglich mit Klagen. Für jede von franzöſiſchen Soldaten, durch ihr übermüthiges Betragen gegen das Volk, herausgeforderte Be=

*) Später durch ſeine Geſchichte der italieniſchen Litteratur bekannt geworden. BVe>er, Weligeſchihte. 8. Aufl, XV. 12