Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Errſ@tuug des Königreiches der Niederlande. 243

Hochſtift und Fürſtenthum Lüttich, ſammt einigen Gebieten auf dem linfen Rheinufer, die ſeit 1793 bis 1814 zu Frankreich gehört, wurden mit dem neuen Staat vereinigt.

Am 31. Mai 1815 ward in Wien zwiſchen Großbrittanien , Rußland, Oeſterreich und Preußen einerſeits und dem Königreich der Niederlande andererſeits ein Vertrag abgeſchloſſen, der die näheren Beſtimmungen über die Zuſammenſetzung, die Gränzen und ſonſtigen politiſchen Verhältniſſe dieſer neuen Monarchie enthielt. Das Herzogthum Luxemburg wurde zu einem Großherzogthum erhoben, und dem Könige Wilhelm I. als Erſaßz für ſeine an Preußen abgetretenen deutſhen Stammlande, welches dieſelben wiederum, zur Abrundung ſeiner rheiniſchen Gebiete, an die herzogliche Linie des Hauſes Naſſau vertauſchte, von dem Kongreß verliehen. Der neue Großherzog trat in dieſer Stellung in den deutſchen Bund, und die Hauptſtadt Luxemburg wurde zu einer Bundesfeſtung be= ſtimmt. Auch ſollte das Großherzogthüm eine beſondere, von den Niederlanden unabhängige Verfaſſung und Verwaltung erhalten. Wilhelm LT. überließ dagegen an England die im erſten pariſer Frieden zurüerſtatteten Kolonien, Demerary, Eſſequebo, Berbice u. ſt. w., was von den eigentlichen Holländern, deren Seehandel dadurch verlor , und die in der Vereinigung mit Belgien mehr eine Vergrößerung der Dynaſtie als einen Gewinn für ihr Land ſahen, mit Unzufriedenheit betrachtet wurde.

Dieſe Schöpfung des Königreiches der Niederlande ging allerdings vornehmlich nur aus politiſchen Beweggründen , aus der Nothwendigkeit einer Sicherſtellung gegen Frankreih auf dieſer Seite hervor. Es war dabei ſo wenig wie in anderen Fällen eine Rückſicht auf die Wünſche und Geſinnungen der Bevölkerung genommen worden. Indeſſen konnten die vier Großmächte, von denen die Entſcheidung hierüber ausging , hoffen, daß beide Völker , Belgier und Holländer, von welchen erſteren ein bedeutender Theil , die Flamänder, wie lettere niederdeutſchen Urſprunges ſind, allmälig in einander verwachſen , und ſi< an das Leben unter einer gemeinſamen Regierung und Verfaſſung gewöhnen würden. Au glaubte man, daß Belgien , ein Fabrikland , aber ohne Seemacht, dur die Benüßung der holländiſchen Schifffahrt und die bedeutende Ausfuhr in die holländiſchen Kolomen für die Vereinigung gewonnen werden würde. Indeß enthielten der Unterſchied der Religion, das Uebergewicht, das der romaniſche Theil Belgiens über den flamändiſchen ausübte, eine Verfaſſung , die mehr für Holland als Belgien geeignet war, die Laſten, welche die Mitübernahme der großen holländiſchen Staats\{<uld und ein ungewöhnlich ſtarker Militairetat auflegten, den Keim zu einer inneren

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