Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

949 Neueſte Geſichte. 2. Zeitraum.

Schon auf dem Kongreß von Chaumont (März 1814) war, bei der Gewißheit des Sturzes des von Napoleon errichteten Gebäudes, wenn auh no< niht ſeiner perſönlichen Herrſchaft, über die Vereinigung Belgiens mit Holland unter dem Prinzen von Oranien, um im Norden eine Vormauer gegen Frankreich zu gewinnen, verhandelt worden, Die Holländer hatten ſich aus eigener Kraft von dem franzöſiſchen Joche bez freit, ven Sohn ihres leßten Erbſtatthalters zurü>gerufen , und derſelbe bereits am 1. December (1813) ſeinen Einzug in Amſterdam gehalten. Dieſer Umſtand hatte in jenem Augenbli>e, wo alle Kräfte gegen den gemeinſamen Feind aufgeboten wurden, einen bedeutenden Eindru gemacht, Auch hatte das Haus Naſſau-Oranien noch von der Zeit Wilhelm des Dritten her, des unvergeßlichen Befreiers Englands, überall in Europa in großem Anſehen und bei den proteſtantiſhen Mächten in be= fonderer Gunſt geſtanden, und ſi< eines weit über ſeine äußere Macht hinausgehenden Rufes erfreut. Der Charakter des gegenwärtigen Prinzen von Oranien, der ſih immer als einen ſtandhaften Gegner Napoleon's gezeigt, die Theilnahme der engliſchen Nation für ihn, die ihn während ſeiner Verbannung tennen zu lernen Gelegenheit gehabt hatte, ſeine nahe Verwandtſchaft mit dem preußiſchen Königshauſe, politiſche und moraliſche Rücfſichten bereiteten für dieſen Fürſten eine größere Stellung vox, als ſeine Vorfahren ſeit langer Zeit eingenommen hatten.

Oeſterreich hatte auf dieſen Theil ſeiner alten Beſizungen , die fo weit von dem Kern ſeiner Macht entfernt lagen, und deren Vertheidigung ſo ſ<hwer und koſtſpielig geweſen, freiwillig Verzicht geleiſtet. Preußen, Deſterrei<h und namentli< England wollten ſie um keinen Preis mit Frankreich vereinigt laſſen. Aus Belgien oder ven öſterreichiſchen Nieder= landen einen beſonderen Staat zu bilden, wie dies ſpäter in Folge der Ereigniſſe von 1830 geſchah, lag der Anſchauung der damaligen Staats-= männer fern, welche dieſes Volk zur Darſtellung und Erhaltung eines unabhängigen Gemeinweſens nit für geeignet hielten. Man wollte im Norden Frankreichs einen Staat bilden, der im Stande geweſen wäre, wenigſtens einem erſten Andringen der Franzoſen zu widerſtehen, was von Belgien und Holland, wenn ſie getrennt blieben, nicht zu erwarten war. Es wurde demna<h aus den ehemaligen Vereinigten Provinzen und den ehemaligen öſterreihiſhen Niederlanden das neue Königreich der Niederlande, mit dem Prinzen Wilhelm von Oranien als König an der Spie, gebildet, und ihm alles Land zwiſchen der franzöſiſchen Nordgränze, wie ſie dur den erſten pariſer Frieden beſtimmt worden, dem Meer und der Maas übergeben. Auch das früher zum deutſchen Reich gehörige